Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'24 -Schwarzwald-Baar-Heuberg
57 12 | 2024 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten SERVICE L ieber Millionen investieren statt ein- fach Zahlen dokumentieren: Otto Graf ist einer von diesen selbstbewussten Mittelständlern im Südwesten, der noch kei- nen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht hat. Auf den ersten Blick ist die Graf GmbH in Teningen auch kein besonders grünes Unter- nehmen. Signalrote Fassade, turmhohe Silos für Kunststoffgranulat, Unmengen schwarzer Plastiktonnen auf dem Hof – und doch sagt Inhaber Otto P. Graf selbstbewusst: „Bei uns beschäftigen sich nicht nur ein paar wenige Menschen mit Nachhaltigkeit, damit man eine Grundlage fürs Marketing hat – son- dern alle Mitarbeiter!“ Wer’s nicht glaubt, dem zeigt der Chef das Dach oder nimmt ihn mit ins Graf Kompetenzzentrum Rohstoffe in Herbolzheim, wo jedes Jahr 50.000 Tonnen Kunststoffe recycelt werden. Gut bedacht: Blick auf die Photovoltaikanlage von Graf in Teningen. Hier entstehen Regenwassersysteme. Wie nachhaltig die Industrie ist… Die Fahrt von Teningen nach Herbolzheim kann man nutzen – für ein bisschen The- orie. CSRD; DNK; ESG; GRI; ESRS; LkSG; THG-Bilanz: Nachhaltigkeit in Unternehmen beginnt mit abschreckendem Fachchine- sisch. Dazu kommt: Wirtschaftskrisen und Wahlergebnisse in den USA scheinen dem eigenen CO 2 -Fußabdruck in Sachen Relevanz den Rang abzulaufen. Dass dem nicht so ist, bestätigt eine Studie, die der Wirtschaftsver- band wvib Schwarzwald AG gemeinsam mit Felix Zimmermann jetzt vorstellte. Zentrale Botschaft: Die Industrie sieht Nachhaltigkeit als Notwendigkeit – und übt Kritik an den Dokumentationspflichten. Zimmermann (ehemaliger CFO und CEO börsennotierter Unternehmen) hat mit „ESG Made in Germa- ny“ ein Buch geschrieben, in dem auch zehn baden-württembergische Unternehmen von der Integration der Nachhaltigkeit in ihre Un- ternehmensstrategie berichten. Seine Studie unter 100 Industrieunternehmen flankiert dieses Buch und liefert empirische Anhalts- punkte. Kaum jemand bezweifelt demnach, dass es mehr Nachhaltigkeit braucht: 55 Prozent der Befragten halten die Transfor- mation für „zwingend notwendig“, 40 Prozent für „grundsätzlich sinnvoll“. Die Regeln zur Förderung der Transformation halten dage- gen nur sieben Prozent für zwingend notwen- dig, 61 Prozent halten sie für grundsätzlich sinnvoll. Die Kritik an einzelnen Vorschriften ist noch größer – vor allem dann, wenn man für die Erstellung einer Treibhausgasbilanz oder für die EU-Taxonomie noch externe Dienstleister beauftragen muss, weil man vor diesen Aufgaben oft steht wie der Ochs vorm Berg. Ab 2026 trifft‘s auch kleine Betriebe Wie Geschäftsführungen meinen oder füh- len, ist allerdings ziemlich egal. Ab 2026 gilt die Nachhaltigkeitsberichtspflicht auch für bilanzrechtlich kleine und mittelgroße Un- ternehmen. Damit steigt die Zahl der nach- haltigkeitsberichtspflichtigen Organisationen in Deutschland von 500 auf 15.000. Und die Zahl der Berichtsvarianten steigt mit: Mitt- lerweile haben Unternehmen die Wahl, ihre Daten beim Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) einzureichen (kostenlos), die vom Land Baden-Württemberg ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellte Klimawin (bis 2023 WIN- Charta) zu nutzen, eine EcoVadis Enterprise- Mitgliedschaft zu erwerben, um sich auf dieser internationalen Bewertungsplattform ein Rating zu verschaffen oder es einfach selbst anzugehen. Denn: Zur Pflicht von oben (dem Gesetz) gesellt sich der Druck von un- ten – vom Markt, weil große Unternehmen ihre Berichtspflichten auf Zulieferer und Ge- schäftspartner abwälzen. Felix Zimmermann präzisiert: Die größten Treiber für die nach- haltige Transformation seien mit 76 Prozent der Nennungen die gesetzlichen Regulierun- gen und mit 68 Prozent die Auftraggeber. Recycling? Machen wir einfach selbst Zurück zu Graf: Das Familienunternehmen fertigt mit weltweit mehr als 750 Mitarbeitern im Südwesten vor allem Produkte rund um das Thema Regenwassermanagement und Wasserbewirtschaftung aus selbst recycel- tem Kunststoff. Der Hauptsitz ist in Teningen, zudem gibt es Werke in Herbolzheim, Neuried
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