Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November'24 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

54 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 11 | 2024 PRAXISWISSEN S eit einem Jahr ist Freiburgs IHK-Haupt- geschäftsführer Dieter Salomon der Vorsitzende des baden-württembergischen Normenkontrollrats – dessen Name ei- gentlich schon klingt wie manifestier- te Bürokratie aber genau das Gegenteil zum Ausdruck bringen soll. Im Inter- view mit WIS-Autorin Doris Geiger zieht Salomon nicht nur Bilanz , sondern blickt auch auf das aktuelle Dickschiff, dem sich das Gremium widmet. Die Landesregierung ließ Ihr Gremium 2023 nach dessen erster Amtszeit fast neun Monate pausieren. Jetzt sorgte Ministerpräsident Kretschmann für Schlagzeilen, weil er das geplante Gleichbehandlungsgesetz auf Eis legen wollte und kurz darauf wieder einen Rückzieher machte. Sie haben das Ge- setzesvorhaben von Anfang an kritisiert. Wieviel Feuer haben Sie ihm gegeben? Persönlich gar keines – weil ich ihn seit meinem Amtsantritt gar nicht getroffen habe. Aber natürlich hat der Normen- kontrollrat früh darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz überflüssig und in dieser Form schädlich ist. Was mit dem Gleichbe- handlungsgesetz geregelt werden soll, ist längst geregelt – im Allgemeinen Gleichbe- handlungsgesetz und im Grundgesetz. Auf Landesebene wollte man das Geregelte nochmals regeln. Würde es umgesetzt, wäre das fatal, denn es brächte eine Be- weislastumkehr: Jeder Lehrer, jeder Mit- arbeitende einer Uni-Klinik oder einer IHK und auch jeder Schornsteinfeger, gegen den der Vorwurf einer Diskriminierung er- hoben wird, müsste dann beweisen, dass der nicht stimmt. Die daraus resultierende Dokumentations- flut, die nötig wäre, um sich zu schützen, wäre riesig. Der BWIHK und der Normen- kontrollrat sehen in diesem Gesetz des- halb ein Misstrauensvotum gegenüber den Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Was ist das nächste große Thema, das Sie im Normenkontrollrat angehen? Das ist ein echtes Dickschiff: Das Land bietet eine Fülle von Förderprogrammen, für die niemand den Gesamtüberblick hat. Man denkt eigentlich, man sollte auf Knopfdruck ermitteln können, wie viele Förderprogramme das Land anbietet und wie viel Geld wo hineinfließt. Ist aber nicht so. Nichts ist digitalisiert. Man kann An- träge stellen, die dann in den einzelnen Ministerien wieder auf Papier ausgedruckt werden. Anders als bei Ihrem DHL-Paket, das Sie kontinuierlich verfolgen können, läuft alles im Verborgenen. Hier wollen wir Transparenz schaffen, weil wir vermuten, dass doppelt und dreifach gefördert wird. Wie wollen Sie das hinkriegen? Der derzeitige Normenkontrollrat ist mit Menschen besetzt, die von Wirtschaft wirklich Ahnung haben. Zum Beispiel mei- ne IHK-Hauptgeschäftsführungs-Kollegin in Stuttgart, Susanne Herre. Sie hatte die Idee, dass wir mit Hilfe künstlicher Intelli- genz die Anzahl der Programme ermitteln, wie sie aufgebaut sind und wieviel Geld da hineinfließt. Bei den geschätzten 320 För- derprogrammen weiß niemand, wer was fördert, niemand evaluiert die Maßnahmen und wir gehen davon aus, dass es Milliar- den von Euro sind, die sich da irgendwie durch den Landeshaushalt bewegen. Hier wäre Transparenz angebracht. Wenn Bürokratie abgeräumt werden soll, sollte man auch verstanden haben, wie der Bürokratie-Irrsinn entstanden ist. Worin sehen Sie die Ursachen? Dieter Salomon » Die Eskalation des Misstrauens « Immer mehr Berichtspflichten, immer mehr Dokumentationszwang: Unser Normenkontrollratschef Dieter Salomon über den deutschen Fimmel für Einzelfallgerechtigkeit, die überzogene Regelungswut des Staates und warum ihm vereinfachte Beschaffungsrichtlinien Hoffnung geben. »Keiner weiß mehr, wer was fördert und was dabei herauskommt – und da geht es um Milliarden!«

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