Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Oktober'24 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

7 10 | 2024 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten W as Cynthia aus Indonesien ganz besonders gut gefällt: dass sie in ihrem Ausbildungsbetrieb viel Gelerntes direkt ausprobieren kann und in verschiedenen Bereichen eingesetzt wird. Im vergangenen Jahr hat die 30-Jährige im Elztalhotel in Winden ihre Ausbildung zur Re- staurantfachfrau begonnen und ist dafür extra nach Deutschland gezogen. Ein großes Glück nicht nur für Cynthia, son- dern auch für die Betreiberfamilie des Ho- tels. Denn nicht nur, aber ganz besonders Hotellerie und Gastronomie suchen hände- ringend nach Fach- und Nachwuchskräften. Und da erweist sich die Suche auch jenseits des europäischen Auslands als ein zuneh- mend attraktiver Lösungsansatz. In der Region und im Bund: Nach dem aktu- ellen Fachkräftereport der DIHK hat heute nahezu jedes zweite Unternehmen Probleme, Stellen zu besetzen. In der Region Hochrhein- Bodensee fehlen aktuell schon 2.000 Fach- kräfte. In der Region Schwarzwald-Baar- Heuberg sind es bereits 6.000, am südlichen Oberrhein ist das Fachkräfteminus bereits auf satte 7.000 angewachsen - gefragt sind vor allem Kräfte für technische Berufe. Tendenz steigend. Denn laut Prognosen wird der Fachkräftemangel insbesondere aufgrund des demografischen Wandels und des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren noch stark zunehmen. Bis 2030 könnten dann allein in der Region Hochrhein-Bodensee 25.000 Arbeitskräfte fehlen. Kurzum: Neues Personal wird dringend be- nötigt und immer häufiger im Ausland ge- sucht und gefunden: 2023 sind rund 213.000 Menschen nach Deutschland gekommen, um eine Ausbildung zu machen. Etwa ein Viertel (49.000) stammen aus einem EU-Staat, rund zwei Drittel (164.000) aus einem Land außer- halb der EU. Dabei hat sich laut Agentur für Arbeit die Anzahl der Auszubildenen aus dem außereuropäischen Ausland, also aus soge- nannten Drittstaaten, in den vergangen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Denn ausländi- sche Berufsabschlüsse werden immer noch viel zu selten anerkannt: Allein 2022 hat es in Deutschland gerade mal 52.000 Anerkennungen von ausländischen Abschlüssen gegeben – davon rund zwei Drittel aus dem medizinischen Bereich (Quelle: Statistisches Bundesamt). Anwerbung ausländischer Azubis Die Anwerbung von Auszubildenden aus Drittstaaten ist für die Unternehmen mit sehr viel Aufwand verbunden. Für deren Vermitt- lung engagieren Unternehmen, wie etwa die Betreiber des Elztalhotels, Agenturen, die sich um den oft aufwändigen Papierkram vor der Ankunft kümmern. Gefunden hat die Familie Tischer ihre Agentur über eine Empfehlung von Hotelkollegen. Spezialisiert ist diese auf die Vermittlung von Arbeitskräf- ten aus Indonesien. Inzwischen tummelt sich eine Vielzahl derartiger Agenturen auf dem Markt für heiß begehrte Fachkräfte. Doch natürlich arbeiten nicht alle professionell, warnt etwa der für diesen Bereich verant- wortliche Geschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, Simon Kaiser. In den vergange- nen Jahren hat es immer wieder Berichte von Vermittlern gegeben, die ausländischen Ar- beitskräften unrealistische Versprechen zum Leben in Deutschland gemacht haben. Oder sie haben versucht, bei Unternehmen dafür abzukassieren. Und wie läuft es mit einer seriösen Agentur ab? Das Elztalhotel führt mit potentiellen Azubis zunächst digitale Bewerbungsgesprä- che, das erste Mal persönlich treffen sie die Nachwuchsmitarbeiter dann in Deutschland zum Ausbildungsstart. Dann ist noch viel zu tun: Anmeldung auf dem örtlichen Bürgeramt oder der fristgerechte Antrag für die Ver- längerung des Visums – für diese und ähn- liche Aufgaben brauchen die ausländischen Azubis Unterstützung – vom lokalen Betrieb. Ulrike Tischer rät Unternehmen, sich auf die- sen Mehraufwand einzustellen und Aufgaben wie die Anwerbung abzugeben. Neben dem Papierkram sollten sich Unternehmen, die Menschen aus dem Ausland anwerben, auch mit den Fragen nach Wohnraum und gerade im ländlichen Raum auch nach Mobilität vor Ort beschäftigen. Raum für persönliche Entwicklung Der Pulverbeschichter EOM in Offenburg sucht seine Fachkräfte bisher nicht im Aus- land, sondern in Deutschland. Einer davon: Mohammad Etemadi. Der 35-jähri- ge Iraner ist vor gut zehn Jahren nach Deutschland geflohen. Seinen ersten Job fand er in einer Metzgerei. Im Iran hatte er Elektronik studiert. „Die Sprache ist schwierig, aber im Kontakt mit den Leuten habe ich viel gelernt“, erzählt er. Nachdem die Metzgerei schließen musste, begann Etemadi als Pulverbeschichter bei EOM. Inzwischen ist er aufgestiegen – zum Anlagenführer und auch zum Leiter eines Teams. Sein Chef beschreibt ihn als ruhig, aufmerksam und lernwillig. „Ich mag meine Arbeit, ich verdie- ne gut“, erzählt Etemadi. „Mit den Kollegen aus an- deren Ländern gibt es kein Problem. Ich komme mit allen klar.“ In diesem Jahr hat er geheiratet und will auch langfristig in der Region bleiben. Für sein Engagement bei der Integration von Fachkräften ist EOM in diesem Jahr beim Wettbewerb „Jobmotor in Südbaden“ unter dem Motto „Arbeitskräfte Finden und Bin- den“ ausgezeichnet worden. Neben EOM wurden der Zahnradhersteller „Franz Morat“ und die „Holzhaus Fabrik“ (siehe Gründer- Interview auf Seite 14) ausgezeichnet. Unterstützung durch örtliche IHKs Bei der Integration von ausländischen Fach- kräften sowie zukünftigen Fachkräften unter- stützen die IHKs im Südwesten mit verschie- denen Angeboten in ihren Welcome Centern in Freiburg und in Villingen-Schwennigen. Ra- mona Shedrach arbeitet im Welcome Center der regionalen Wirtschaftsförderungsgesell- schaft und der IHK Schwarzwald-Baar-Heu- Cynthia aus Indonesien macht eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau. Bilder: Adobe Stock - Hurca!/melita

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5