Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'24 -Südlicher Oberrhein
50 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2024 E s gibt Themen, die sind heute genauso aktuell wie vor 125 Jah- ren. Dazu zählt auch bezahlbares und sicheres Wohnen, wofür die Freiburger Baugenossenschaft „Bauverein Breisgau“ seit ihrer Gründung 1899 steht. Zur damaligen Zeit hatte Wohnungsnot ge- herrscht. Im Zuge der Industrialisierung waren die Menschen zur Jahrhundertwende scharenweise vom Land in die Stadt gezogen, Wohnraum war knapp. „Dass sich das Problem über 125 Jahre fort- setzt und sich noch verschärft, war damals so nicht absehbar“, sagt Jörg Straub, Geschäftsführender Vorstand des Bauvereins. Mit den Jahren haben sich aber die Ursachen verändert, die zum Wohnraummangel führten. Im Zweiten Weltkrieg waren Häuser und Wohnungen in Deutschland entweder durch Bombenangriffe zer- stört oder von Besatzungsmächten beschlagnahmt worden, noch verschärft worden war die Lage dadurch, dass nicht nur Einheimi- sche Obdach suchten, sondern zusätzlich auch Heimatvertriebene. Aus dieser großen Wohnungsnot heraus wurde 1949 in Achern eine weitere Baugenossenschaft gegründet, die „Neue Heimat“, heute „Baugenossenschaft Familienheim Mittelbaden“. In den vergange- nen 75 Jahren hat das Unternehmen nach eigenen Angaben knapp 6.000 Wohneinheiten errichtet, die meisten als Eigenheime. Heute fehlt es wieder an Wohnungen. Denn es zieht viele Menschen in den attraktiven Breisgau und nach Freiburg und kleines Angebot bei großer Nachfrage übt Druck auf den Wohnungsmarkt aus. Und das Interesse an niedrigen Mieten und unkündbaren Wohnun- gen wird immer größer, das spürt auch der Bauverein Breisgau. Der Verein wächst um rund 1.000 Neumitglieder jährlich. „So schnell und so viel können wir gar nicht bauen“, sagt Jörg Straub. Die Um- setzung von Wohnbauprojekten und die Unterhaltung des Bestands werde überdies durch die Rahmenbedingungen erschwert: gestie- gene Materialpreise, höhere ökologische Standards, überborden- de Regularien, Inflation und Zinsanstieg sowie Flächenknappheit. Letzteres hat dazu geführt, dass die Genossenschaft mit ihren Bauprojekten verstärkt ins Freiburger Umland ausgewichen ist. Es brauche ein Umdenken seitens der Politik, insbesondere in der Stadt, so Straub, um weiter günstig bauen zu können. Dass die Marktbedingungen für die Baubranche schwierig gewor- den sind, spiegelt sich auch in den niedrigen Baugenehmigungs- zahlen in Baden-Württemberg wider. Zwischen Januar und April 2024 sind es 55 Prozent weniger genehmigte Wohnungen als im Vergleichszeitraum 2022, meldet der Immobilienverband IVD Süd. „Der Wohnungsbau in Baden-Württemberg steckt weiterhin in ei- ner massiven Krise, während die Bevölkerung und damit auch der Bedarf nach adäquatem Wohnraum in vielen Regionen gleichzeitig weiterwächst“, so Professor Stephan Kippes, Leiter des IVD-Markt- forschungsinstituts. Die Bedingungen machten den Bauträgern zu schaffen. Neben stark rückläufigen Genehmigungszahlen seien zudem viele bereits zum Bau freigegebene Vorhaben zurückgestellt oder gestoppt worden. „Das Erarbeiten weiterer Maßnahmenpakete zur Ankurbelung des Wohnungsbaus bleibt eine der dringlichsten Aufgaben der Politik“, erklärt Kippes. Doch er macht auch Hoffnung: „Einige wichtige Marktfaktoren, wie eine deutlich gesunkene Inflation sowie auch leicht rückläufige Zinsen, sorgen darüber hinaus derzeit für wieder etwas bessere Rahmenbedingungen.“ Susanne Ehmann 125 Jahre Bauverein Breisgau / 75 Jahre Baugenossenschaft Familienheim Mittelbaden Kleines Angebot, große Nachfrage Baugenossenschaften schaffen bezahlbaren Wohnraum, denn der ist rar. Ein Problem, das nicht neu ist, wie die Geschichte zeigt. Bild: Adobe Stock/elxeneize
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5