Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'24 -Südlicher Oberrhein
14 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2024 THEMEN + TRENDS Frau Horx-Strathern, Prof. Bölting, Prof. Klus, wenn wir über Trends und Entwick- lungen in Städten und Gemeinden spre- chen, wie blicken da die Stadtplanung, die Zukunftsforschung und die Sozialwissen- schaft auf das Thema? Torsten Bölting: In den Kleinstädten und Dörfern ist das Thema Einzelhandel eigent- lich vorbei. So ehrlich muss man sein. Ich sehe dafür zurzeit auch keine Perspektive. Im Prinzip muss man vielen Einzelhändlern sagen, dass sich ihr Geschäftsmodell erle- digt hat. Sie können beispielsweise im Be- reich Bekleidung einfach nicht so schnell auf Trends reagieren, wie das im Online-Handel passiert. Und das sehen die Händler ja auch in ihren Geschäften. Das Publikum dort ist eher älter. Die Jungen kaufen ihre Klamotten da nicht mehr. Es gibt den „Donut-Effekt“, dass die Ortskerne veröden, während es am Rand einen Zuzug aus der Stadt gibt von Leu- ten, die aufs Land ziehen. Da brechen ganze Segmente weg, es ist ein Drama! „Ein anderer Blick ist gefragt“ Oona Horx-Strathern: Zum Einstieg muss man auf die Demografie schauen: Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Einerseits werden die Menschen „jünger“ alt – sind also in jeder Hinsicht aktiver als früher - und nehmen länger am Leben teil. Andererseits gibt es immer mehr Menschen mit einge- schränkter Mobilität. Kommunen sind aber für Durchschnittspersonen gestaltet. Wir brauchen also einen anderen Blick auf die Städte, ganz gleich, ob sie groß oder klein sind. Die Weltgesundheitsorganisation hat ein Netzwerk von „Age Friendly Cities“ aufge- baut, dort können sich Städte zu dem Thema austauschen: Man kann Fußgängerampeln so gestalten, dass sie länger grün bleiben, wenn ältere Menschen die Straße überqueren wol- len. Oder Parkbänke mit einer höheren Sitz- fläche bauen, damit man leichter aufstehen kann. Es gibt viele Beispiele. Sebastian Klus: Eine zentrale Frage ist da- bei, welche Infrastruktur eine Stadt oder Gemeinde benötigt. Was brauchen die Men- schen? Und wie kann man das organisieren? Das ist einerseits eine kommunale Frage, ganz klar. Andererseits gibt es finanzielle Einschränkungen. Wir schauen daher auch auf die Verknüpfung zwischen öffentlichen Strukturen und ehrenamtlichen Initiativen. Das zu vernetzen ist eine große Herausfor- derung! Alle müssen an einem Strang ziehen Wo kommt bei der sozialen Stadtentwick- lung die Wirtschaft ins Spiel? Klus: Auch die Unternehmen sind gefordert, sich in solchen Netzwerken einzubringen und sich zu fragen, was sie zu einer Entwicklung beitragen können. Firmen können viel bei- steuern und ihre eigenen Interessen dabei verfolgen. Zum Beispiel in der Zusammenar- beit mit Sozialträgern bei besonderen Qualifi- zierungsmaßnahmen, die helfen können, den Mangel an Fachkräften zu beheben. Kommu- nen können viele Zukunftsaufgaben jedenfalls nicht alleine lösen. Sie können organisieren und koordinieren, aber die anderen müssen auch mittun. Zum Beispiel beim Wohnen oder der Kinderbetreuung, da können Unterneh- men schon Dynamik reinbringen. Experten zur Zukunft der Innenstädte Patentlösung? Fehlanzeige! Wie können Innenstädte und Ortskerne ihre Attraktivität behalten oder wieder erlangen? Ein Gespräch mit der Trendforscherin Oona Horx-Strathern, dem Soziologen und Stadtplaner Torsten Bölting sowie dem Sozialwissenschaftler Sebastian Klus. Sebastian Klus Bild: Adobe Stock/blende11.photo
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