Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'24 - Hochrhein-Bodensee
8 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2024 TITEL Hochschule Baden-Württemberg (DHWB) Heilbronn den Stu- diengang BWL-Handel lehrt. „Die Städte sind voll, wenn Events stattfinden. Aber dann kommen die Menschen eben nicht zum Einkaufen, sondern zur Unterhaltung, für Kulturerlebnisse, zum Shoppen und um etwas zu essen.“ „Die Einkaufsstadt ist durch“, sagt auch Citymanager Wolfgang Koch. Denn Städte leisteten keine Grundversorgung mehr, sondern seien Teil der Freizeitwirtschaft geworden. „Daher muss man sich eine Strategie überlegen, damit die kleinen Städte leben, etwas ausstrahlen.“ Für den Mann, der lange Jahre einen eigenen Buch- laden betrieben hat und der heute Gemeinden im gesamten Südwesten berät, besteht diese Strategie darin, sich als Stadt zu positionieren. Einer Art Destination Building also. „Dazu brauchen Sie einen starken Sparringspartner“, weiß er. Das Ziel müsse daher „ein Schulterschluss sein mit Gewerbeverein und Stadt“. Und wenn das gelänge, dann stehe die eine für ihre historische Altstadt, die andere positioniert und präsen- tiert sich als kinderfreundliche Stadt, die nächste als Stadt der kurzen Wege. Das sei zwar nicht ganz einfach, sagt Koch, da gerade Kleinstädte vor allem auf das Engagement von Ehrenamtlichen angewiesen sein. Dass es aber geht, das zei- ge das Beispiel Elsach: die Handwerkerstadt. Oder Endingen: die Marktstadt. Dabei muss sich Destination Building kei- neswegs auf einzelne Stadtteile oder Städ- te beschränken: In der Region Hochrhein, so berichtet Eckhart Fink, der an der IHK Hochrhein-Bodensee für die Geschäftsfelder Existenzgründung und Unternehmensförde- rung verantwortlich ist, haben sich gleich mehrere Gemeinden zusammengeschlos- sen und werben seitdem sehr erfolgreich für den Besuch in ihrer „Destination“. Name und Motto der Kooperation: „Aktionsbündnis Pro Innenstadt“. Vor allzu hohen Erwartungen sei allerdings gewarnt: „Ich habe nicht den Anspruch, dass wir in den sechs Monaten, in denen ich vor Ort bin, die Stadt umgekrempelt bekommen“, räumt Thomas Kaiser ein. Zunächst einmal gehe es darum, die gesamte Struktur auf ein zuvor definiertes Ziel auszurichten. Als Bei- spiel nennt er Bad Krozingen, wo er gemein- sam mit einem runden Tisch das Konzept der „15 Minuten Stadt“ entwickelt hat. Un- ter dieser Überschrift würden dann einzelne Maßnahmen umgesetzt: „In 15 Minuten soll alles erreichbar sein, egal ob vom Bahnhof, mit dem Fahrrad oder vom Parkplatz aus. In 15 Minuten kriege ich den Rundlauf durch die City hin und schaffe es auch, den Arzt zu besuchen oder zum Bürgerbüro zu gehen. Eine Stadt der kurzen Wege.“ Nach dem Beschluss folge in aller Regel ein Entwicklungsleit- faden, und der werde gemeinhin für einen Zeitraum von zehn Jahren angesetzt. „Es soll ja dann auch stimmen, was wir behaupten. Also muss die Stadt Maßnahmen dafür treffen, dass es Parkplätze in Zentrumsnähe gibt. Auch braucht es ein Fußgänger-Leitsystem, damit die Menschen wissen: ‚Aha, vom Bahnhof bis zur Kirche dauert es acht Minuten.‘“ Kurzum: Unter der 15-Minuten-Überschrift würden jetzt erstmal mehrere Einzelmaßnahmen initiiert, die die Erreichbarkeit her- und sicherstellen und anschließend kommunizieren sollen. Ausgebummelt? Für Professor Carsten Kortum kommt all das zu spät. In vielen Städ- ten sei der Tipping Point längst überschritten und ein Gegensteuern kaum noch möglich, sagt der Experte der DHWB. Wirklich? Die Er- gebnisse einer aktuellen Umfrage, die das Zürcher Gottlieb Duttwei- ler Institute (GDI /gdi.ch ) zunächst unter Eidgenossen, später unter Bundesbürgern durchgeführt hat, lassen das zumindest vermuten: Sowohl dies- als auch jenseits der Alpen haben die Menschen in- zwischen schlichtweg keinen Spaß mehr am Shoppen. Schlimmer noch: Auf der Beliebtheitsskala aller Freizeitaktivitäten rangiert der Funfact „Shopping“ auf gleicher Höhe wie „Hausarbeit“ - nur Pendeln ist noch unbeliebter. Danach wäre ein Wunder notwendig, um die Menschen wieder zum Gang in die Stadt zu bewegen. Wolfgang Koch Wie sich Inspiration auf den Einkauf auswirkt Geringer Inspirationsgrad Hoher Inspirationsgrad 27% 46% +70,4% Mehr Abteilungen 29% 52% +79,3% Mehr Produkte 20% 41% +105,0% Höhere Preise 18% 35% +94,4% Mehr Geschäfte Quelle: Gottlieb Duttweiler Institut (GDI)
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5