Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Mai'24 -Schwarzwald-Baar-Heuberg
7 5 | 2024 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten W er in einer guten Nachbarschaft lebt, ist nie allein. Nachbarn hel- fen und unterstützen sich, neh- men aufeinander Rücksicht und gehen selbst in stürmischen Zeiten respektvoll miteinan- der um. So wie Deutschland und Frankreich: Aus den ehemaligen Erbfeinden sind nicht nur gute Nachbarn geworden, sondern sogar Freunde. Begründet ist diese Freundschaft im vielzi- tierten Elysée-Vertrag von 1963: Kern dieser in Schriftform gegossenen Handreichung zwischen dem französischen Staatspräsi- denten Charles de Gaulle und dem deut- schen Bundeskanzler Konrad Adenauer ist die nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsene „Erkenntnis, dass die Verstärkung der Zu- sammenarbeit zwischen den beiden Ländern einen unerlässlichen Schritt auf dem Wege zu dem vereinigten Europa bedeutet“. Unsichtbare Grenzen, enorme Möglichkeiten Für die Menschen und Unternehmen am Oberrhein gehört nicht nur die inzwischen selbstverständliche Zusammenarbeit mit dem französischen Nachbarn zum Alltag. Ebenso unverzichtbar ist der enge Austausch mit der an beide Nachbarn gleichermaßen angrenzenden Schweiz. Die Region gilt als vorbildlich und wird vielfach als „Europa im Kleinen“ bezeichnet. „Beim Oberrheingebiet handelt es sich um einen natürlichen Wirt- schaftsraum, dessen Grenzen unsichtbar und Möglichkeiten groß sind“, erklärt Pascale Mollet-Piffert, die bei der IHK Südlicher Ober- rhein als Schwerpunkt- kammer Frankreich für grenzüberschreitende Zusammenarbeit verant- wortlich zeichnet. Mit einer Niederlassung in Frankreich eröffneten sich deutschen Unter- nehmen nicht nur der Zugang zum dortigen Markt, führt Mollet- Piffert aus. Auch Märkte, die von Deutsch- land aus schwerer zu erreichen seien - die Maghreb-Staaten etwa, Spanien oder Por- tugal – rückten in greifbarere Nähe. Weitere Gründe für den Aufbau von Tochtergesell- schaften auf der anderen Rheinseite seien zum Beispiel fehlende Expansionsflächen am heimischen Standort oder der Mangel an ge- eigneten Grundstücken. „Manche Unterneh- men finden hierzulande auch schlicht nicht Ressourcenzentrum für Beschäftigung Der Name mag etwas sperrig sein, das Angebot im „Grenzüber- schreitenden Ressourcenzentrum für Beschäftigung“ in Straßburg ist es nicht: Der 2023 eröffnete Begegnungsort stellt Arbeitgebern, Arbeitssuchenden und Studieren- den aus Frankreich und Deutschland ein vielfältiges und kostenloses Angebot von Sprechstunden über Workshops bis hin zu Unterneh- mensbesuchen zur Verfügung. Das soll nicht nur dazu anregen, Beschäftigung und die Schaffung von Arbeitsplätzen auf grenzüber- schreitender Ebene im 360-Grad-Winkel zu betrachten. Vorrangiges Ziel ist es, Projektträger auf beiden Seiten des Rheins zusammenzu- bringen, Unternehmer zu vernetzen und neue Märkte zu erschlie- ßen. Angesiedelt ist das Ressourcenzentrum im KaleidosCOOP, dem sogenannten dritten Ort nahe der Europabrücke. Bei verschiedenen Infoveranstaltungen soll es überwiegend darum gehen, Unter- schiede und Gemeinsamkeiten zu entdecken und sich entsprechend darüber auszutauschen. Ein interkulturelles Frühstück am 23. Mai beispielsweise wendet sich an Unternehmen, die Grenzgänger und ausländische Arbeitnehmer einstellen. Das Zusammenkommen soll ihnen die Gelegenheit geben, ihre Willkommenskultur zu identifi- zieren und sich für die Interkulturalität zu sensibilisieren. www. kaleidos.coop/de/ In Deutschland sind rund 5.700 französische Tochtergesellschaften ansässig, in Frankreich sind es rund 4.600 deutsche Tochter- gesellschaften. Quelle: AHK/Business France (Zahlen aus 2021) Bild: Philippe Groslier INTERREG OBERRHEIN OrienTEE, Regio Lab, Grenzüber- schreitendes Ressourcenzent- rum für Beschäftigung, Robotic Hub und mehr als 850 weitere Projekte: möglich wurden sie alle erst durch das EU-Förder- programm „Interreg Oberrhein“. Dabei sind die geförderten Bereiche so vielfältig wie ihre Zielgruppen, von Wirtschaft über Forschung und Innovation bis hin zu Ausbildung, Tou- rismus, Mobilität, Umwelt und Gesundheit. Mit dem Ziel, das trinationale Grenzgebiet noch weiter zusammenwachsen zu lassen und geografische ebenso wie administrative Hürden abzubauen, sind seit 1989 rund 260 Millionen an Fördermitteln in die Oberrheinregion geflossen. Bereits seit dem Jahr 2007 sind die Interreg-Programme unter dem Begriff „Europäische territoriale Zusammenarbeit“ (ETZ) fest in der europäischen Zusammenarbeit verankert und haben ihren eigenen Platz in der EU-Regionalpolitik. Seit 2001 läuft die sechste Förderperiode, die die grenzüberschreitende Region grüner, besser vernetzt, sozialer, intelligenter und bürgernäher machen soll. Insgesamt stehen bis 2027 Fördermittel in Höhe von 230 Millionen Euro zur Verfügung, davon 125 Millionen Euro an EU-Mitteln, plus Mittel, die die Nordwest-Schweiz für Interreg Oberrhein bereitstellt. www.interreg-oberrhein.eu
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