Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Mai'24 -Schwarzwald-Baar-Heuberg
9 5 | 2024 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten TITEL Bild: Adobe Stock/SG- design noch werden – oftmals mit Geldern aus dem EU-Förderprogramm „Interreg Oberrhein“. Vernetzung ist ein Muss Dabei arbeiten deutsche, französische und auch schweizerische Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Ge- sellschaft tagtäglich daran, bereits beste- hende Kooperationen noch weiter zu inten- sivieren, neue Potenziale zu entdecken und mit Leben zu füllen. Diese Arbeit hat sich die im Dezember 2010 auf Initiative des Regierungspräsidiums Freiburg gegründe- te Trinationale Metropolregion Oberrhein (TMO, siehe Kasten) zur Aufgabe gemacht. „Zusammen wollen wir die treibende Kraft für eine innovative und nachhaltige Entwick- lung unserer Unternehmen sein“, beschreibt Philippe Fraunhofer. Als bei der IHK Südli- cher Oberrhein angesiedelter Koordinator ist er verantwortlich für die TMO-Säule Wirtschaft, neben Wissenschaft, Zivilgesell- schaft und Politik einer der vier Arbeitsbe- reiche . Ganz oben auf der To-do-Liste der Säule Wirtschaft steht „Vernetzung“: „Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Un- ternehmen, die dadurch neue Kontakte be- kommen und neue Business-Möglichkeiten entdecken können“, erläutert Koordinator Philippe Fraunhofer. Heute sei ein gutes Netzwerk ein kritischer Erfolgsfaktor: „Ein gut vernetzter Geschäftsführer ist meist ein erfolgreicher Geschäftsführer.“ Probleme gemeinsam wuppen So zielt das aktuelle Projekt „Business Twin“ (Kasten) genau auf Vernetzung: Ähnlich einer Städtepartnerschaft werden jeweils zwei Fir- men zum gegenseitigen Austausch und von- einander Lernen zusammengebracht. Auch etwa durch Workshops und Infotage hilft die TMO Unternehmen dabei, Hemmnisse und Berührungsängste abzubauen und den je- weils anderen Markt besser zu verstehen. „Selbst wenn es Unterschiede in den Arbeits- weisen gibt, können wir Probleme wie etwa den Fachkräftemangel gemeinsam angehen und lösen, da wir zusammen ein viel stär- keres Gewicht haben, um unsere Anliegen der Politik gegenüber zu verdeutlichen“, sagt Philippe Fraunhofer. Ein weiteres Beispiel, dem Fachkräfteman- gel entgegenzuwirken, ist die grenzüber- schreitende Ausbildung. Ein entsprechen- des Abkommen haben die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Franzö- sischen Republik im Juli vergangenen Jahres geschlossen. Das Ausbildungsprogramm sieht beispielsweise den Besuch der Berufs- schule im Heimatland vor, den betrieblichen Teil ihrer Ausbildung absolvieren die Azubis in einem Unternehmen im Nachbarland. „Die grenzüberschreitende Ausbildung ist ein gutes Modell, um junge Elsässer für eine Ausbildung in einem badischen Betrieb zu gewinnen“, erklärt Simon Kaiser, Geschäfts- führung Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südlicher Oberrhein. Denn das grenzüber- schreitende Ausbildungsprogramm mache nicht nur die Einstiegshürde für beide Seiten niedriger, sondern führte am Ende auch zu ei- nem französischen Abschluss. Während des gesamten Ausbildungsprozesses steht die IHK den Betrieben unterstützend zur Seite, ergänzt Kaiser. 360-Grad-Blick auf den Bewerbermarkt Mit der grenzüberschreitenden Ausbildung machen die Badischen Stahlwerke (BSW) in Kehl bereits seit rund zehn Jahren sehr gute Erfahrungen. „Würden wir nicht auch in Frankreich suchen, wäre unser Bewerber- kreis nur ein Halbkreis“, unterstreicht Micha- el Enderle, Ausbildungsleiter bei der BSW Anlagenbau und Ausbildung GmbH (BAG), eine Tochter der BSW. In Zusammenarbeit mit der Mission Locale Strasbourg – einer Einrichtung, die Jugend- lichen unter 25 Jahren den Zugang zu einer Ausbildung ermöglicht – spricht die BAG gezielt Schulabgänger an. Integriert in die Ausbildung, deren theoretischer Teil an der Berufsschule in Kehl absolviert wird, ist ein zwingend notwendiger, intensiver neunmo- natiger Sprachkurs. Vor vier Jahren kam ein zweites, ein Umschu- lungsprojekt dazu. Angesprochen werden Franzosen, die bereits eine Metallausbildung oder schon in der Metallbranche gearbeitet haben. „Aktuell haben wir 110 Azubis und Umschüler, 14 davon sind Franzosen“, be- richtet Enderle. Auch wenn er schon viele – vor allem positive – Erfahrung gesammelt habe, Selbstläufer seien die Projekte nicht: „Wir investieren viel Geld und Zeit, unterstüt- zen bei Problemen mit den Behörden und auch bei der Wohnungssuche“, so Michael Enderle. IHK-Ausbildungsexperte Simon Kaiser weiß, dass ein funktionierender grenzüberschrei- tender Arbeitsmarkt für die Betriebe ein wichtiger Standortfaktor ist, da es in vielen Branchen an qualifiziertem Personal man- gele. „Deshalb unterstützen und beraten wir unsere Mitgliedsbetriebe auch sehr intensiv, wenn es um die Frage geht, wie man Fach- kräfte in Frankreich rekrutiert.“ Dass auch Arbeitnehmer die 360-Grad-Sicht haben, beschreibt die aktuelle Broschüre Bild: Region Grand Est OrienTEE „Uns hat die Idee begeistert“, lautet die schlichte Antwort der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH & Co. KG (FWTM) auf die Frage, warum sie sich am Projekt „OrienTEE“ beteiligt. „OrienTEE“ steht für ein Tandem, das aus zwei Schulen – deutsch-französisch oder schweizerisch- französisch – und einem Partnerbetrieb besteht. Gemeinsam arbeitet das Tandem an einem kon- kreten Projekt. Berufsorientierung im trinationalen Oberrheingebiet am lebenden Objekt sozusagen. Im Fall der FWTM sind dies Schüler des Walter-Eucken-Gymnasiums in Freiburg und des Lycée Louis Armand in Mulhouse, die im Auftrag ihres Partnerunternehmens eine Stakeholder-Analyse zum Thema Radtouris- mus in Freiburg und Umgebung erstellen. „Uns ist es nicht nur ein Anliegen, potenzielle Nachwuchskräfte zu fördern, sondern im Idealfall sprechen wir hier von einer Win-win- Situation“, sagt FWTM-Sprecher René Derjung. Immerhin sei die Analyse alles andere als eine reine Beschäftigungsaufgabe; vielmehr will die FWTM deren Ergebnisse im Rahmen ihrer touristischen Projekte künftig verwerten. Derjung: „Der touristische Bereich lebt von Analysen, Studien, Umfragen und Auswertungen.“ Und die Schüler profitieren davon, sich realen wirtschaftlichen, ökologischen, gesellschaftlichen, sprachlichen und interkulturellen Herausforderungen zu stellen, um später eine fundierte Berufswahl treffen zu können.
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