Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März/April'24 -Südlicher Oberrhein

68 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3+4 | 2024 PRAXISWISSEN Beteiligungsgleiche Personengesellschaften Steuerneutraler Übertrag ist letztlich doch möglich A nlass für den höchstrichterlichen Be- schluss war der Fall einer Kommandit- gesellschaft, die zwei bebaute Firmengrund- stücke an ein Schwesterunternehmen mit der identischen Eigentümerstruktur übertragen hatte und dafür § 6 Absatz 5 Satz 3 des Ein- kommensteuergesetzes (EStG) nutzen wollte. Dieser Paragraf erlaubt die Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert, stille Re- serven werden dabei nicht aufgedeckt und versteuert. Das zuständige Finanzamt sah das anders und argumentierte, dass in dem entsprechenden Paragrafen solche beteili- gungsgleichen Personengesellschaften nicht aufgeführt sind – und sie die steuerfreundli- che Regelung deshalb nicht nutzen können. Der Beginn einer gerichtlichen Auseinander- setzung bis hinauf zum Bundesverfassungs- gericht. Das sagt das Gesetz § 6 Absatz 5 Satz 3 des EStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungs- gesetzes vom 20. Dezember 2021 regelt tat- sächlich abschließend, wann Übertragungen von Wirtschaftsgütern zu Buchwerten und damit steuerneutral ohne Aufdeckung von stillen Reserven möglich sind: unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrech- ten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers (Gesellschafters) in das Gesamthandsvermögen einer Mitun- ternehmerschaft (Personengesellschaft) oder umgekehrt unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mit- unternehmers in das Gesamthandsvermö- gen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der der Gesellschafter beteiligt ist, und umgekehrt oder unentgeltlich zwischen jeweiligen Sonder- betriebsvermögen verschiedener Mitunter- nehmer derselben Mitunternehmerschaft. Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwi- schen Personengesellschaften, an denen die- selben Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt sind, sogenannte beteiligungsiden- tische Personengesellschaften, wird in dem Gesetzeswortlaut nicht genannt. Auch die Fi- nanzverwaltung hat daran festgehalten, dass selbst bei beteiligungsidentischen Schwester- personengesellschaften keine Übertragung zu Buchwerten erfolgen kann (Bundesfinanzmi- nisterium Schreiben vom 8. Dezember 2011). Der Bundesfinanzhof zweifelte diese Ansicht jedoch an. Daraufhin wurden beim Erlass von Feststellungsbescheiden bei Übertragungen stille Reserven zwar aufgedeckt, allerdings hatten die Finanzbehörden auf Antrag eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Schließlich wurde die Rechtsfrage dem Bun- desverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt: Das sagen die Richter Mit Beschluss vom 28. November 2023 (Az. 2 BvL 8/13, veröffentlicht am 12. Januar 2024), hat das BVerfG entschieden, dass be- teiligungsidentische Personengesellschaften nicht in der Vorschrift erfasst sind und nach derzeitigem Gesetzeswortlaut eine Über- tragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesell- schaften zum Buchwert tatsächlich ausge- schlossen ist. Aber: Diese Vorschrift verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3) des Grundgesetzes, weil solche Über- tragungen damit gegenüber begünstigten Wirtschaftsguttransfers benachteiligt werden. Ein Umstand, der so nicht bleiben kann: Der Gesetzgeber hat deshalb nun, so die Karlsruher Richter, rückwirkend für Über- tragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 eine Neuregelung zu treffen. Die beste- hende Vorschrift bleibt bis zum Inkrafttreten der neuen Vorschrift anwendbar, allerdings mit der Maßgabe, dass die Vorschrift auch für Wirtschaftsguttransfers zwischen betei- ligungsidentischen Personengesellschaften nach dem 31. Dezember 2000 gilt. In be- troffenen Fällen mit laufendem Einspruchs- verfahren sollte auf den aktuellen Beschluss verwiesen werden. Letzter Hinweis: Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 wurde durch das Gesetz zur Moderni- sierung des Personengesellschaftsrechts zi- vilrechtlich der Begriff des Gesamthandsver- mögens von Personengesellschaften durch den des Gesellschaftsvermögens ersetzt. In der Abgabenordnung ist jedoch geregelt, dass für Zwecke der Ertragsbesteuerung Personengesellschaften weiterhin als Ge- samthand und deren Vermögen als Gesamt- handsvermögen gelten. Somit wirkt sich der Beschluss auch auf die aktuelle Rechtslage bei Personengesellschaften aus. Claudio Schmitt, Bansbach GmbH Die Frage klingt kompliziert, sie ist es auch – und doch dreht es sich um einen nicht ungewöhnlichen Sachverhalt: Dürfen Personengesellschaften, an denen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind, Wirtschaftsgüter wie etwa Grundstücke steuerneutral zu ihren Buchwerten übertragen oder müssen die stillen Reserven gehoben werden? Das Bundesverfassungsgericht hat dazu jetzt Klartext gesprochen. Bild: Adobe Stock/LeitnerR (mit KI generiert) Die bisherige Gesetzesgrundlage ist höchstrichterlich verfassungswidrig

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