Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März/April'24 -Südlicher Oberrhein

IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3+4 | 2024 TITEL Betrieb? Wer da erfolgreich Informationen an den Nachwuchs bringt, ist schon mal einen Schritt weiter“, meint Alexandra Thoß, Lei- terin der Abteilung Ausbildung bei der IHK Hochrhein-Bodensee. Praktika haben ihrer Erfahrung nach mit den höchsten Klebeeffekt. Aber man müsse sie immer wieder aktiv anbieten wie Sauerbier. „Da hilft kein Jammern, von selber kommen die Jugendlichen nicht auf einen zu. Man muss sich um sie bemühen.“ Ihre IHK-Kollegin Christiane Möller ergänzt, dass Unternehmen darauf achten sollten, ihre Ausbildungsberufe modern zu verkau- fen, und führt als Beispiel den Drogisten an. Junge Leute denken da gleich an Drogen, ihre Eltern möglichweise noch an Regale mit verstaubten Apothekerfläschchen – beides falsch und vor allem nicht sexy. Mit einem anderen Wording wür- de man mehr Jugendli- che erreichen. Unternehmen könn- ten zudem jetzt noch schauen, ob sie kurz- oder mittelfristig Be- werberkreise ins Auge fassen, die sie zuvor vernachlässigt haben. Junge Eltern insbesondere Mütter, die sich vielleicht für Ausbildungen in Teilzeit gewin- nen lassen, oder Studienzweifler, die zum Beispiel Elmar Häusler, Ausbildungsleiter technische Berufe bei Maggi in Singen, für die kommenden Jahre stärker ins Visier neh- men möchte. „Es gibt in den MINT-Studien- fächern unglaublich hohe Abbrecherquoten. Unsere Erfahrung aus dem eigenen Hause ist, dass so mancher mit einer dualen tech- nischen Ausbildung glücklicher wäre. Den muss man nur irgendwie erreichen.“ Viel hilft viel Unterm Strich, so schätzt der erfahrene Re- cruiter, müsse man inzwischen den drei- bis vierfachen Aufwand als noch vor zehn Jahren betreiben, um alle Lehrstellen zu besetzen. Und man müsse multipräsent sein. „Manches funktioniert, manches nicht. Leider lässt sich das vorher kaum abschätzen.“ So beobachtet Christiane Möller bei den Ju- gendlichen zwei Phasen bis zur Unterschrift unter einen Ausbildungsvertrag, in denen un- terschiedliche Ansprachen erfolgreich sein könnten. In der ersten, der Orientierungspha- se, blieben die jungen Leute unter sich. Infos werden über Instagram und Youtube bezogen und besprochen, Pläne dort geschmiedet. Nachwuchs für kd von der anderen Seite der Welt Wenn bei „karldischinger“ im Herbst die neuen Auszubildenden an den Start gehen, ist die freudige Aufregung noch ein bisschen größer als sonst. Denn der Logistikdienst- leister mit Hauptsitz in Ehrenkirchen erwartet seine ersten Azubis aus Indien. 15 junge Männer, von denen zwölf Fachlageristen werden sollen und drei Lkw-Fahrer. Zurzeit lernen sie Deutsch bis zum B2-Level und werden auf ihr neues Leben in Deutschland vorbereitet. „Das Thema konkretisierte sich bei uns im Frühjahr 2023“, berichtet Steven Böhringer, Personalleiter für die „kd-Gruppe“. Die Handwerkskammer Freiburg präsentierte in Lörrach ihr vielbeachtetes Recruitingprojekt mit indischen Azubis fürs Fleischerhandwerk. „Wir fanden das Engagement der begleitenden Agentur Magic Billion angenehm familiär und verantwortungsvoll. Uns ist es sehr wichtig, das Ganze reell zu betreiben. Wir wollen keine billigen Arbeitskräfte ausnutzen. Wir möchten die Menschen langfristig bei uns integrieren.“ Das bedeutet auch, dass Böhringer und seine Kollegen Patricia Hartmann vom zentralen Ausbildungsmanagement und Marc Best, der für die Betreuung der internationalen Kollegen verantwortlich ist, die Ankunft des mit 20 bis 30 Jahren nicht mehr ganz so jungen Nachwuchses jetzt schon akribisch vorbereiten. Wo kann die Gruppe möglichst zusammen wohnen? Wo bekommt man Leasingfahrräder her? Wie steht es mit Versi- cherungen? Wie stemmt man die Berufsschule? „Das kostet Ressourcen, klar, aber wir können die Menschen nicht einfach hierherfliegen und dann allein lassen“, sagt Böh- ringer. Bereits heute trifft man sich einmal im Monat virtuell zum Kennenlernen und interkulturellen Austausch. Bei der nächsten Schalte soll es ums Badische gehen. Und das Kennenlernen soll keine Einbahnstraße sein, betont der Personalchef. „Genauso wichtig ist uns, die Führungskräfte in indi- scher Kultur zu schulen. Denn es geht nicht darum, dass die Neuen sich an uns anpas- sen müssen, sondern wir uns auch an sie.“ uh Maggi-Ausbildungsbotschafter on Tour „Die eine Gruppe ist auch jetzt noch – weit nach Corona – recht orientierungslos, die andere desinteressiert, weil sie voll aufs Studieren gepolt ist.“ So beschreibt Elmar Häusler, Ausbildungsleiter der Elektroberufe bei Maggi in Singen, den aktuellen Wissensstand in den Schulklassen, wenn es um die Berufsorientierung geht. Um dem Nach- wuchs pragmatisch unter die Arme zu greifen, engagiert sich die Nestlé-Tochter seit Jahren mit sogenannten Aus- bildungsbotschaftern: Azubis ab dem zweiten Lehrjahr, die – im Vorfeld von der IHK in Präsentation und Rheto- rik geschult – Altersgenossen ihre Ausbildung und ihr Unternehmen vorstellen. Schwerpunktmäßig in berufsvorbereitenden- und in Berufs- fachschulen, vor allem in den Berufen Elektroniker Betriebstechnik und Mechatroniker, aber auch Industriemechaniker sowie Maschinen- und Anlagenführer. Das Ziel: Für die duale Ausbildung an sich sensibilisieren, für technische Berufe – und nicht zuletzt für Maggi. „Es hat eine ganz andere Wirkung auf die Schüler, wenn ihnen ein Jugendlicher von seiner Ausbildung berichtet, als wenn ich das täte“, erklärt Häusler schmunzelnd. Die Schulen, die seine Azubis anfordern, seien sehr offen, trotzdem müsse es kurz und knackig und vom Lehrer vorbereitet sein, um bei den Schülern gut anzukommen, so die Erfahrung seiner aktuell fünf Botschafter. „Wir möchten aber gerne weiter aufstocken und lassen gerade wieder einen Schwung schulen.“ Mit welchem Erfolg, kann Elmar Häusler nicht beziffern, denn Maggi arbeitet mit einer breiten Palette an Recruiting- maßnahmen. Trotzdem geht er davon aus, dass man über die Ausbildungsbotschafter den einen oder anderen Schüler erwärmen kann, für ein Praktikum, für den Beruf oder für Maggi. „Man muss multipräsent sein – und irgendwas davon verfängt dann.“ uh »Man muss mittlerweile den drei- bis vierfachen Auf- wand betreiben als noch vor zehn Jahren« Marc Best (v.l.), Patricia Hartmann und Steven Böhringer

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