Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November'23 -Südlicher Oberrhein
7 11 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten B unter könnte die Gruppe an diesem Dienstagmor- gen in Offenburg im Gründer-Workshop „HOW- 2START“ kaum sein. Eine junge Frau mit der Idee zu einem Marketingnetzwerk, ein Grafiker in Hoodie und Basecap, der in Content Creation einsteigen möchte, ein Techniker, der mit seiner Frau online eine asiatische Kosmetiklinie vertreiben will, ein Handwerker, der vorhat, Marmor für B2B-Kunden zu importieren. Florian Appel, Geschäftsführer der Black Forest Inno- vation (BFI), einer Tochter der Stiftung Technologie und Wirtschaft aus Offenburg, die unter anderem den dorti- gen Technologiepark auf 4.000 Quadratmetern mit gut 50 Unternehmen und Start-ups betreibt, erklärt den Gründungsinteressierten anhand des Business Model Canvas – ein neunteiliges Plakat – wie sie ihr Geschäfts- modell gedanklich entwickeln und aufschreiben. Ein studierter Sportwissenschaftler hat für sein Wunsch- business – individuelle Reha- und Präventionstrainings – so ein Canvas schon mitgebracht und versucht nun, auf dem mit Bleistift dicht bekritzelten Papier seine Vertriebskanäle zu identifizieren. Wie auch einige der anderen Teilnehmer steckt er schon so tief drin in den Details seines künftigen Unternehmens, dass der Blick von außen, aus Kundensicht, schwerfällt. Florian Appel bohrt bei allen immer wieder nach, stellt Geschäftsidee, Zielgruppe, Konzept auf die Probe. Das irritiert, ganz klar, aber muss so sein, wie der Gründungs- experte feststellt: „Ihr müsst euch fragen: Warum ich? Warum mein Shop? Warum mein Produkt?“ Sein Rat: „Geht raus, testet euer Angebot am Markt. Fangt klein an, vielleicht nur mit einer Zielgruppe – und dann Atta- cke!“ Man solle nicht verzweifeln, wenn man anfangs abblitzt. Nur so entwickelt sich die Idee zu etwas Markt- gängigem. Er zitiert ein Start-up, das mal gesagt habe „Wenn du zurückblickst und dich für deine Anfänge nicht schämst, dann hast du zu lange gewartet.“ Die Geschäftsidee früh ausprobieren, „unterwegs“ wei- terentwickeln und notfalls die Richtung ändern – dieser eher US-amerikanische Ansatz, Projekte anzugehen, ist einer der größeren Unterschiede zwischen heutigen Gründungen und denen früherer Tage. Damals tüftelte man eher länger als kürzer im stillen Kämmerlein, bis alles rund lief, bevor man an die Öffentlichkeit ging. Die, die es ernst meinen Wobei das Gründungsinteresse insgesamt schon mal deutlich lebhafter war, wie der DIHK-Gründungsmonitor aus diesem Frühjahr feststellt. Für das Jahr 2022 mel- deten die IHKs bundesweit erneut einen Rückgang bei den Informations- und Beratungsgesprächen: Nahmen vor zehn Jahren noch 327.000 Interessenten die Grün- dungsberatung der Kammern in Anspruch, waren es 2022 nur knapp 155.000, drei Prozent weniger als im Vorjahr, der Tiefststand seit 2002. Ein Grund dafür dürfte die gute Lage auf dem Arbeits- markt sein, meint Alexander Vatovac, bei der IHK Hochrhein-Bodensee für Existenzgründung und Unter- nehmensförderung zuständig. „Es muss niemand mehr mangels Alternativen gründen.“ Bleiben also die, „die Mitgründerin von Jobrad, Freiburg Sandra Prediger „In unserer Gründungsphase bekamen wir leider nicht viele ermutigende Worte oder Ratschläge von Außenstehenden zu hören. Davon haben wir uns aber nicht beirren lassen: Vor allem mein Mann Uli glaubte fest an die Idee und das hat auch mich bestärkt. Gemeinsam trafen wir die Entscheidung, diesen teilweise sehr steinigen Weg zu gehen, um unsere Vision zu erreichen. Wir gaben uns gegenseitig Sicherheit und wussten, dass wir uns aufeinander verlassen können.“ „Seid mutig und hartnäckig und glaubt an eure Ziele! Gleichzeitig ist es wichtig, auch mal loslassen zu können. Man muss nicht alles selbst erledigen. Habt den Mut, um Hilfe zu bitten. Baut euch ein gut funktionierendes Netzwerk auf – mit Menschen, denen ihr vertraut und denen ihr euch anvertrauen könnt. Übernehmt Verantwortung für eure Mitarbeitenden und lernt, auch Verantwortung an Mitarbeitende abzugeben.“ Wir haben gestandene Start-ups, die den Kinderschuhen schon entwachsen sind, gefragt: Was war der beste Rat, den Sie in der Gründungsphase bekommen haben? Und welchen Rat würden Sie selbst dem Nachwuchs mit auf den Weg geben? Gründer von Subsequent, Konstanz Manuel Stein „Mein Vater hat immer gesagt, dass es wichtig ist, den Menschen zu sehen, nicht seine Funktion, seine Rolle, sondern die Person, die dahintersteht. Außerdem hat mich bis heute der Ratschlag eines befreundeten Juristen begleitet: ‚Es kann nur einen Kapitän geben.‘ Es ist wichtig, von Anfang an festzulegen, wer die Verantwortung trägt und Entscheidungen trifft. Häufig habe ich schon erlebt, dass für Gründerteams, die sich hier uneins waren, bald das Aus fürs Unternehmen kam.“ „Mir war von Anfang an klar, dass mich niemand kennt, dass ich selbst dafür sorgen muss, bekannt zu werden. Dass ich rausgehen muss, mit den Leuten ins Gespräch kommen, Klinken putzen. Das habe ich quasi nonstop getan und mache das zum Teil immer noch. Denn: Eine Idee kann noch so gut sein, ohne Vernetzung ist die Gefahr groß, dass man scheitert.“
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