Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'23 -Südlicher Oberrhein

7 9 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten TITEL Wann fange ich an, die Übergabe zu planen? Alexander Vatovac, Leiter der Geschäftsbereichs Existenzgründung und Förderung bei der IHK Hoch- rhein-Bodensee: Je früher, desto besser – auch wenn es unbestritten ein emotional sehr anstrengendes Vor- haben ist, sein Lebenswerk abzugeben. Aber von den ersten Überlegungen bis zum Notartermin ist es ein langer Weg, der sich über Jahre ziehen kann. Tatsächlich stellt man die ersten Überlegungen am besten zehn Jahre vorher an, zumindest, wenn eine fa- milieninterne Übernahme im Raum steht. Checkt, ob die Kinder bis dahin so weit sind, dass sie nachfolgen könnten. Besteht überhaupt Interesse? Gibt es vielver- sprechende Mitarbeiter, die man schon mal weiterent- wickeln sollte? Ist rechtlich oder steuerlich bereits etwas auf den Weg zu bringen? Fünf Jahre vor der angedachten Übergabe sollte der Unternehmer wirklich in die Tiefe gehen, insbesondere, wenn keine Kinder als Nachfol- ger in Frage kommen. Die Suche dauert einfach. Der Arbeitskräftemangel ist auch ein Nachfolgermangel. Haben Unternehmer eine realistische Vorstellung vom Wert ihres Betriebes? Stephan Karl Schultze, Partner in der Wirtschafts- prüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft „LOEBA Treuhand GmbH“, Lörrach: Nein, in aller Regel nicht. Das liegt daran, dass der Verkäufer meist nur einmal im Leben ein Unternehmen verkauft – sich also nicht gut auskennen kann. Die Fehlurteile gehen dabei in beide Richtungen. Manche verschätzen sich nach oben, aber vielleicht mehr noch nach unten. Viele erkennen gar nicht, welchen Wert sie haben. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Unter- nehmensbewertung auf Käufer- wie auf Verkäuferseite beraten wird. Achte ich beim Nachfolger eher auf die menschliche oder die fachliche Passung? Christina Gehri, Leiterin des Bereichs „Standort & Branchen“ und Nachfolgeberaterin bei der IHK Süd- licher Oberrhein: Im Idealfall beides. Das Menschli- che ist natürlich wichtig, aber wenn ein potenzieller Nachfolger in diesem Bereich zwar punktet, aber wenig Ahnung vom Fach mitbringt, kann das nur in Branchen und Bereichen funktionieren, in die man sich gut zügig einarbeiten kann. Hauptsache ist dann, dass das betriebswirtschaftliche Know-how und die Führungskompetenz stimmen. Im Idealfall steht dem Neuen eine gut ausgebildete und willige Mannschaft zur Seite. Wenn es aber um eine sehr spezielle, kenntnisreiche Sparte geht – oder wenn die Belegschaft nicht so gut aufgestellt ist, dass das Detailwissen von dort kommen kann, muss schon eher ein Fachmann ge- sucht werden. Das muss ein Senior-Unternehmer mit Blick auf seine Firma und seinen Markt abwägen. Aber aktuell gilt: Je spezieller man suchen muss, desto schwieriger wird es. Im Übrigen weiß ich aus der Gastro: Die meisten Nach- folger, die ohne Branchenkenntnis ein Hotel oder ein Restaurant übernehmen, scheitern. Auch das ist nicht so einfach, wie viele glauben. 2,8 Senior-Chefs kamen 2021 in den IHK-Beratungen auf einen Nachfolge- interessenten. Quelle: DIHK Keine einfache Angelegenheit So viel Prozent der Senior-Unternehmer ... Quelle: DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2022. Ergebnis aus bundesweit 18.000 Beratungskontakten der IHKs zu Unternehmern und potenziellen Nachfolgern. ... finden keinen passenden Nachfolger ... haben sich nicht rechtzeitig auf die Übergabe vorbereitet ... fordern einen überhöhten Kaufpreis ... können vom Unternehmen emotional nicht loslassen ... warten mit Verkauf, um Altersvorsorge aufzustocken ... befürchten andere Hemmnisse ... befürchten bei der familien- internen Nachfolge eine hohe Erbschaftsteuerbelastung 29% 18% 15% 46% 43% 39% 36%

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