Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'23 -Südlicher Oberrhein

52 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2023 Urteil zu Arbeitsgerichtsverfahren Auch nichtdatenschutzkonforme Videoüberwachung ist als Beweis zulässig D as Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entschei- dung (2 AZR 296/22) festgestellt, dass Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung vom Arbeitgeber in einem Kün- digungsschutzprozesses durchaus verwertet werden dürfen, wenn sich ein Arbeitnehmer vorsätzlich vertragswidrig verhält. Das solle auch dann gelten, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeit- gebers nicht vollständig im Einklang mit datenschutzrechtlichen Vorgaben stehe. Der betroffene Arbeitnehmer war als Teamsprecher in einer Gie- ßerei beschäftigt. Der Arbeitgeber warf dem Teamsprecher vor, an einem Tag eine so genannte Mehrarbeitsschicht in der Absicht nicht geleistet zu haben, diese gleichwohl vergütet zu bekommen. Im Prozess trug der Mitarbeiter vor, das Werksgelände betreten zu haben. Auf einen anonymen Hinweis hin wertete der Arbeitgeber Videoaufzeichnungen aus einer am Tor zum Werksgelände nicht zu übersehenden Videokamera aus. Die Auswertung ergab, dass der Mitarbeiter das Werksgelände noch vor Schichtbeginn wieder verlassen hatte. Die Bundesrichter wiesen den entsprechenden Rechtsstreit wieder an das zuständige Landesarbeitsgericht zurück mit dem Hinweis, dass die Videoauf- zeichnungen, die das Verlassen des Mitarbeiters von dem Werks- gelände betrafen in Augenschein zu nehmen seien. Es sei dabei unbeachtlich, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) oder der Datenschutz- Grundverordnung (DSGVO) entsprochen habe. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, sei eine Verarbeitung der perso- nenbezogenen Daten des Mitarbeiters durch die Gerichte für Ar- beitssachen nach der DSGVO nicht ausgeschlossen, was jedenfalls dann zu gelten habe, wenn die Datenerhebung offen erfolgte und es um ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers ging. In einer solchen Konstellation sei es grundsätzlich nicht rele- vant, wie lange der Arbeitgeber mit dem erstmaligen Durchsehen des Bildmaterials gewartet und es so lange gespeichert habe. Olaf Müller, Endriß und Kollege B evor es im Juli für alle in die Sommerpause ging, haben Bundestag und Bundesrat das Fachkräfte- einwanderungsgesetz verabschiedet. Künftig soll es im Wesentlichen drei Wege geben, wie Fachkräfte aus dem außereuropäischen Ausland zum Arbeiten einrei- sen können: Unter dem Stichwort „Qualifikation“ wird die bishe- rige „Blaue Karte EU“ weiterentwickelt: Wer einen Abschluss hat, soll künftig jede qualifizierte Beschäf- tigung ausüben können. Für Mangelberufe wie etwa in der IT wird die Gehaltsschwelle gesenkt, die Dauer der Berufserfahrung gekürzt und auf den Nachweis von Deutschkenntnissen verzichtet. Die zweite Säule, „Erfahrung“, sieht vor, dass jeder, der mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsab- schluss vorweisen kann, als Arbeitskraft einwandern kann. Neu ist, dass der Abschluss künftig nicht mehr in Deutschland anerkannt sein muss. Unter „Potenzial“ wird eine Chancenkarte zur Arbeits- suche eingeführt, wie sie etwa in Kanada im Einsatz ist und die auf einem Punktesystem basiert. Bewertet werden dabei Qualifikation, Deutsch- und Englisch- kenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und mitziehende Lebens- oder Ehepartner. Nachdem das reformierte Fachkräfteeinwanderungsge- setz politisch beschlossen ist, geht es nun in Gremien an die finale Ausgestaltung der neuen Regelungen und die Vorschriften zur Umsetzung. Wie viel einfacher oder komplizierter die Fachkräfteeinwanderung durch das neue Gesetz in der Praxis wird, lässt sich bislang schwer beurteilen. Vielfach stehen die Details noch gar nicht fest. Nicht alle neuen Möglichkeiten werden deshalb schon gleich an den Start gehen können, erklären die Mitar- beiterinnen des Welcome Center Südlicher Oberrhein, eines von zwei Welcome Centern in der Region, die die IHKs (mit)betreiben und die Unternehmen wie Fachkräf- te bei der Einwanderung beratend begleiten. Man gehe davon aus, dass die überarbeitete blaue Karte noch in diesem Jahr starten werde, die Chancenkarte aber wohl erst im Sommer 2024. Ab Herbst werden die zuständigen IHK-Berater umfas- send zum neuen Gesetz geschult. Danach werden sie ihrerseits interessierte Unternehmen in ihrer Region dazu weiterbilden. uh Infos zu Veranstaltungen zum neuen Fachkräfte- einwanderungsgesetz folgen in den kommenden Ausgaben der WiS. Welcome Center Schwarzwald-Baar- Heuberg: Ramona Shedrach 07721 922 239 welcome@vs.ihk.de https://wirtschaftsfoerde- rung-sbh.de/welcomecenter Welcome Center Südlicher Oberrhein: Sophie Figueredo-Hardy 0761 3858 198 sophie.figueredo-hardy@ freiburg.ihk.de Olga Kuchendaeva 0761 3858 197 olga. kuchendaeva@freiburg.ihk.de Zwischenstand zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz Jetzt geht es an die Feinheiten Bilder: Adobe Stock/Rawpixel.com (oben), fotohansel (unten)

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5