Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'23 -Südlicher Oberrhein

46 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2023 PRAXISWISSEN S ehr geehrte Kundinnen und Kunden“, „liebe Kolleg:innen“, oder auch „liebe MitarbeiterInnen“ sowie „Werte Besuchende“: Beim Gendern konkurrieren unterschiedliche Möglichkeiten um die Gunst der, tja: Adressat:*_Innen. Dabei sind Genderstern und Un- terstrich keine regulären Sprachzeichen im Deutschen, so hat es der Rat für deutsche Rechtschreibung – eine gewichtige Instanz für das Thema – jüngst bestätigt, indem er Genderzeichen weiterhin nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie zählt. Auf der ande- ren Seite lässt sich beobachten, dass immer mehr Unternehmen, Medien, Hochschulen, Kommunen und Behörden gendergerecht kommunizieren, obwohl sie dazu – außer in Jobausschreibungen – nicht verpflichtet sind. Die drei IHKs im Regierungsbezirk verwenden das generische Maskulin ebenso wie die neutralisierende Version und manchmal kommt, wie bei der Lufthansa, auch der Doppelpunkt zum Einsatz. Microsoft benutzt das Sternchen. Audi bevorzugt den Unterstrich. Und in dem steckt eine Menge Hirnschmalz: Ein Jahr lang arbeiteten bei dem Automobilhersteller die Abteilung Diversity-Management und eine Projektgruppe „gendersensible Sprache“ unter dem Titel „Vorsprung beginnt im Kopf“ intensiv an den Gender-Empfehlungen. Diese will der Konzern als Bekenntnis für Chancengleichheit von LGBT-Personen am Arbeitsplatz und gegen Homo- und Transpho- bie in der Arbeitswelt verstanden wissen. Audi geht es demnach um mehr, als „nur“ das weibliche Geschlecht sichtbar zu machen, sondern will per Unterstrich auch solche Menschen ansprechen, Aussitzen ist keine Lösung Die Themen Diversität und Vielfalt haben vor allem bei größeren Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Nicht jeder Betrieb verfügt allerdings über die entsprechenden Ressourcen, um sich in aller Tiefe mit ihnen zu beschäftigen. Persönlich kann jeder zur Sprach- gestaltung stehen, wie er will – die Diskussion ist aufgeladen und manche möchten sich (vielleicht gerade deshalb) erst gar nicht da- mit beschäftigen. Fakt aber ist: Unternehmen bleibt über kurz oder lang keine Wahl, sich – ergebnisoffen – des Themas anzunehmen. Denn: Wer sich vermeintlich raushält, kommuniziert ja trotzdem mit einer Sprachvariante – an der er möglicherweise gemessen wird, obwohl er sich nicht extra dafür entschieden hat. Wie heißt es so schön: Keine Antwort ist auch eine Antwort. Je nach Größe, Branche und Kundenstamm treffen Unternehmen auf unterschiedliche Einstellungen und Erwartungen. Werden die einen vom Gendern abgeschreckt, empfinden es die anderen als unzeitgemäß, wenn ein Betrieb es in seiner Kommunikation nicht tut. Rund zwei Drittel der wahlberechtigten Deutschen lehnen laut Mei- nungsumfragen eine gendersensible Sprache ab. Unternehmen müssen daher gut recherchieren und abwägen, wie ihre Zielgruppe „ Unternehmenskommunikation Gendern oder nicht gendern? Mit * oder großem i? Männliche und weibliche Form verwenden? Oder einfach weiter wie bisher mit dem generischen Maskulin? Unternehmen aller Branchen und Größenklassen stehen inzwischen vor der Gretchenfrage. Alle Versionen haben Vor- und Nachteile, eine Patentlösung gibt es nicht. Ohne eine Entscheidung geht es aber auch nicht. Wie Firmen zu ihrer individuellen Lösung finden. Illustrationen: Adobe Stock/diuno, Berabeitung: Freiburger Druck

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