Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

44 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2023 H alb elf Uhr morgens, Rafiullah Faqiri fährt einen mittelgroßen, elektrisch angetriebenen Lkw mit Branding des Logistikdienstleisters Dachser nahezu geräuschlos in der Freiburger Neunlindenstraße vor. Dort, im Microhub der Roc-Ket Cargo Bikes, stapeln sich bereits zahlreiche Kartons, Kisten sowie kleine und große Paletten mit Stückgut. Viele von ihnen wer- den auf Lastenräder verladen und von den Fahrern mit Muskelkraft und elektrischer Unterstützung in der Freiburger Innenstadt an die Endkunden verteilt. Die Lastenradmanufaktur Roc-Ket Cargo Bikes ist auf emissionsfreie Innenstadtlogistik, die sogenannte „letzte Meile“, spezialisiert: Kurzstrecken, Just-in-time, Logistik auf und zwischen Betriebsgeländen sowie Lieferungen bis in die Ortsgebiete um Freiburg. Die Spediteursarbeit startete 2018, damals noch in Zusam- menarbeit mit dem Pionier Velo Carrier aus Tübingen, deren Logistik Software weiterhin im Gebrauch ist. „Wir sind kein Radlkurier, sondern Fahrradspediteure“, betont Thomas Ketterer, Geschäftsführer und Gründer von Roc-Ket Cargo Bikes. Was er meint, wird mit Blick auf die Räder sofort deutlich. Das hier hat nichts mehr mit normalen Lastenrädern für den Privatgebrauch zu tun. Seit dem Start seiner Manufaktur 2015 entwi- ckelte er die Räder kontinuierlich weiter. „Der ist un- plattbar“, sagt Ketter und zeigt auf ein neues Laufrad. Denn wer mit einem Cargo Bike unterwegs ist – Fahrer, Fracht und Rad wiegen insgesamt bis zu einer halben Tonne – kann eines nicht brauchen: Eine Reifenpanne. Felgen, Reifen, Speichen, Bremsen sind kein Fahrrad- zubehör, sondern stammen aus der Motorradtechnik. Bis zu 300 Kilogramm lassen sich aufladen, die Palet- ten direkt aufschieben, eine Hubtechnik ist nicht not- wendig. Auch der Akku ist wesentlich leistungsfähiger als bei einem Freizeitrad. Etwa 20 Räder produziert der Freiburger Spezialist pro Jahr, die je nach Ausstattung zwischen 9.500 und bis zu 19.500 Euro kosten. Um weiter zu wachsen, sucht Ketterer nach einem Investor. Lieferung trotz Wind und Wetter „Porzellan“ ruft Ketterer einem Cargobike hinterher, das aus der Auffahrt biegt und mit fachmännisch gestapelten Plastikboxen auf der Lieferfläche Richtung Innenstadt fährt. Hier geht nichts kaputt, will der 55-Jährige damit sagen. Überhaupt: Sensible Pharma- und Medizintech- nik, Institutsausstattungen, Fahrstuhlteile, Solarpanels, Zementsäcke, Lampen, Elektronik – es gibt fast nichts, was die Lastenradfahrer nicht transportieren. Nur bei einer 600 Kilogramm schweren Maschine, die sich nicht auseinanderbauen ließ, mussten sie kürzlich die Waffen strecken. Überzeugungsarbeit muss das Unternehmen nach eigenen Angaben nicht mehr leisten, insgesamt be- wegen die Lastenradler bei Wind und Wetter zuverlässig zwischen drei bis 3,5 Tonnen bei 120 bis 150 Abladestel- len am Tag. Neben den Lastenrädern hat Roc-Ket auch Streetscooter im Einsatz, jene vollelektrischen Klein- transporter, die ursprünglich für DHL produziert wurden. Größter B2B-Endkunde ist die Uniklinik Freiburg – eilige Lieferungen werden sogar bis an den OP-Tisch gebracht. Auch für Pfizer, die Stadt Freiburg, Bauhaus, Badenova, UPS und Dachser wird die letzte Meile ausgeliefert oder auf der ersten Meile abgeholt. „Mit dem Thema emissionsfreie Zustellung haben wir 2018 an unserem alten Standort in Hochdorf begon- nen“, berichtet Michael Gaudlitz, Niederlassungsleiter Immer mehr Lieferverkehr bedeutet zusätzliche Belastung der Innenstädte. Um Stress für Anwohner, Fahrer und Klima gleichermaßen zu reduzieren, arbeiten viele Unternehmen an neuen Konzepten für die „letzte Meile“. Vier Beispiele aus der Region. Bis zu 300 Kilogramm Fracht rollen hier auf drei Rädern durch die Freiburger Innenstadt. »Man braucht Leute, die sich für das Thema begeistern und einfach anfangen« Michael Gaudlitz Niederlassungsleiter Dachser Freiburg Letzte-Meile-Logistik Sauber abliefern

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