Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg
23 7+8 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten W enn ein Azubi aus einem Drittland eingestellt werden soll, ist so einiges zu beachten: Sprach- nachweis, Einkommensnachweis, Ausbildungsvertrag und die Zustimmung der Arbeitsagentur für Arbeit – der Prozess ist alles andere als ein Selbstläufer. Mehr als 60 Interessierte lockte die Veranstaltung in das Haus der Wirtschaft, um in der IHK mehr zu den Recruitingmöglichkeiten in und aus Indonesien zu erfahren und Erfahrungen auszutauschen. Nurul Aini, indonesische Unternehmerin und Ärztin, beschreibt die Ausgangssituation wie folgt: „Während in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg ein Bewer- ber auf drei offene Stellen kommt, ist es in Indonesien genau andersherum: Hier erhält fast jeder Zweite kei- nen Ausbildungs- oder Studienplatz.“ Deutschland und Indonesien könnten durch engere Kooperationen von- einander profitieren. Aini beschreibt die indonesischen Jugendlichen als „opportunity catchers“ (auf Deutsch etwa Chancenergreifer). Auf die Frage „Was willst du in Deutschland machen?“ käme oft die Antwort: „Wo habt Ihr denn einen Mangel?“ Diese Flexibilität käme deutschen Arbeitgebern zugute. Auch Thomas Fink, Geschäftsführer des Double Six Diner in Donaueschingen, berichtet von seinen durch- gehend positiven Erfahrungen. Seit 2018 bildet er in- donesische Jugendliche aus, aktuell fünf an der Zahl: „Wenn jemand um die halbe Welt reist, kann man davon ausgehen, dass er oder sie motiviert ist zu arbeiten.“ Seine Erkenntnis aus den letzten Jahren: „Ausbildung ist allgemein kein Selbstläufer – unabhängig davon, aus welchem Land die Person kommt. Eine gute Betreuung durch den Betrieb ist deshalb das A und O. Ja, das bindet vor allem zeitliche Ressourcen. Aber unter dem Strich ist es das auf jeden Fall wert.“ Sprachbarrieren sind überwindbar Natürlich wurden auch Hürden thematisiert. Die duale Ausbildung ist in Indonesien weitgehend unbekannt, das Matching zwischen Bewerber und Betrieb erfolgt deswegen oft nicht anhand der gängigen Berufsbil- der, sondern erst einmal wird geklärt, welche Bran- che in etwa in Frage kommt. Sprache ist ebenfalls eine Hemmschwelle, aber nicht unüberwindbar – hier kommt es oft auf die Person an. Nicht zuletzt sollten Betriebe genügend Zeit für den Prozess mit den Behör- den einplanen, dieser kann schon mal gut 19 Wochen in Anspruch nehmen. Ramona Shedrach vom Welcome Center ist zufrieden mit dem Ergebnis der Veranstaltung: „Wir konnten den Unternehmen hiermit ein konkre- tes Unterstützungsangebot machen, sie über den bürokratischen Prozess und mögliche Förder- und Unterstüt- zungsprogramme informieren.“ Wenn dadurch der Azubimangel auch nur für ein Unternehmen gelindert werden konnte, sei das ein wichtiger Schritt. „Gleichzeitig konnten wir heute einmal mehr die Bedarfe der Unternehmen auf- greifen – etwa nach einer internationa- len Schule in der Region –, um uns bei den politischen Entscheidungsträgern für Verbesserungen einzusetzen. Was wir als IHK-Organisation schon errei- chen konnten, ist, dass voraussichtlich die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit im Visumsprozess entfallen wird.“ Dadurch würden alle Beteiligten entlastet, ohne dass Qualitätsstandards darunter litten. Scha Ramona Shedrach | Welcome Center 07721 922-239 shedrach@vs.ihk.de Azubigewinnung in Indonesien „Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“ Bild: Matthias Schanz Sie organisierten den IHK-Treff des Welcome Centers (von links): Michela Crispo (Wirtschaftsförde- rungsgesellschaft), Thomas Fink (Double Six Diner), Henriette Stanley (Wirtschaftsförderungsge- sellschaft), Unternehmerin und Ärztin Nurul Aini sowie Ramona Shedrach (Welcome Center). Das Welcome Center ... ist eine Einrichtung der regionalen Wirt- schaftsförderung und der IHK Schwarz- wald-Baar-Heuberg. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Ba- den-Württemberg sowie die Förderer des Welcome Centers unterstützen das Center. Unternehmen aus der Region, die ausländi- sche Fachkräfte einstellen möchten, erhalten kostenfreie Hilfe bei der Suche nach Fach- kräften, Fragen zu Einreise oder Aufenthalts- recht, oder dabei, neue Mitarbeiter gut ins Team einzubinden. Das Center unterstützt mit Informationen zu Sprachkursen, Woh- nungssuche, Freizeitgestaltung. Internatio- nale Fachkräfte oder Studierende und ihre Familien können sich ebenfalls beim Wel- come Center informieren. https://wirt- schaftsfoerderung-sbh.de/welcomecenter In Deutschland werden Nachwuchs- kräfte gesucht, in Indonesien ist es für junge Menschen dagegen schwer Ausbildungsplätze zu finden. Wie sich aus solchen Konstellationen Lösungen erarbeiten lassen, war Thema einer Veranstaltung des Welcome Centers.
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