Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juni'23 - Hochrhein-Bodensee

66 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 6 | 2023 DIE LETZTE SEITE Konfitüren aus dem Oberen Wiesental Süße Früchtchen Aus der Not eine Tugend „Mir geh‘n in d‘Beeri“ – so oder ähnlich hieß es wohl um 1913 im Oberen Wiesental, wenn die Mütter mit ihren Kindern in den Wald und aufs Feld loszogen, um wildwachsende Erdbeeren, Himbeeren oder auch Heidelbeeren zu sammeln. Und davon gab es damals jede Menge. „Was zu viel zum selber essen war, brachten die fleißigen Sammler in den Lebensmittelladen meiner Großeltern in Schönau“, erzählt Thomas Faller, Inhaber der Konfitürenmanufaktur Alfred Faller GmbH in Utzenfeld. Alfred und Therese Faller verkauften dann in ihrem Dorflädchen das überschüssige Obst. „Ohne Kühlung – die gab es damals noch nicht – wären die Beeren aber schnell verdorben. Meine Groß- eltern machten aus dieser Not eine Tugend: In einem offenen Kupferkesssel kochten sie über einem Holzfeuer die Früchte ‚Pfund auf Pfund‘ mit Zucker ein und verkauften dann – damals noch im Blecheimer – die so ent- standene Konfitüre.“ An die Laufkundschaft, aber auch an Gasthöfe in der näheren Um- gebung. Der Beginn von Faller-Konfitüren. Obst aus Südbaden Bestseller des Unternehmens ist heute die Konfitüre „Badische Schwarzkirsche“. Die Früchte dafür stammen allesamt aus der Region – vor allem aus dem Markgräflerland und der Ortenau kommen die für die Konfi- türe verwendeten Kirschsorten „Dollensepp- ler“ und „Benjaminler“. Sie werden zunächst vom Kirschbaum ‚geschüttelt‘, ehe sie gekühlt und dann entsteint werden. Schließlich werden die Kirschen bei Faller eingefroren, um so die Produktion ganzjährig zu garantieren. „Wir sind nach wie vor eine Manufaktur, bei uns wird immer noch im Kupferkessel eingekocht und von Hand gerührt. Das ist unser Erfolgs- rezept“, erläutert Thomas Faller. „Kupfer hat eine hervorragende Wärmeleitung und -vertei- lung.“ Genau in diesen offenen Kupferkesseln landen die Früchte – immer circa 100 bis 120 Kilogramm –, nachdem sie zerkleinert und aufgetaut wurden. Dank des hochmodernen Dampfraumes um den Kessel, mit dessen Hilfe auch die seitliche Mantelfläche beheizt werden kann, ist nur eine kurze Kochzeit nötig. Krisengeschüttelt 1.000 bis 1.200 Tonnen Konfitüre stellt Faller pro Jahr her – noch immer bezieht die Manufaktur frische Früchte aus Süddeutschland, insbeson- dere Schwarzkirschen, Quitten, Erdbeeren, Äpfel, Zwetschgen und Himbeeren. Fünf Glasgrößen, drei Eimergrößen sowie Einportionsdöschen verkauft das Familienunternehmen deutschlandweit. Kunden stammen zu 60 Prozent aus Hotellerie und Gastronomie: „Überall, wo gefrühstückt wird, sind unsere Kunden zu finden. Hotels, Hotelketten, Pensionen, aber auch Kreuzfahrtschiffe – wir beliefern sogar das Traumschiff“, berichtet Thomas Faller augenzwinkernd. „Unsere Alubecherchen werden vor allem von Krankenhäusen und Altenheimen geordert.“ Sogar in Gebäck und Marzipanprodukten sind Faller-Fruchtfüllungen zu finden. Auch im Lebensmitteleinzelhandel, vorwiegend in Baden-Württem- berg, findet man Faller-Konfitüren im Regal. Die letzten Jahre haben dem Unternehmen jedoch so einiges abverlangt. Corona brachte die Produktion zwischenzeitlich zum Erliegen – ohne Tourismus gab es auch keine Aufträge, diese gingen von jetzt auf gleich um 70 Prozent zurück. Faller erinnert sich deutlich an den ersten Lockdown: „Da ist die Hose sehr schnell ganz kurz.“ Doch nicht nur das. Die Energiekrise macht dem Unternehmen ebenso zu schaffen wie auch die Inflation, die Glas- knappheit verbunden mit einer regelrechten Preisexplosion und der Fachkräftemangel. 70 Mitarbei- ter, darunter elf Auszubildende beschäftigt das Unternehmen – vor vier Jahren waren es noch 90. So resümiert Thomas Faller dann auch: „Die letzten Jahre waren geschäftlich und persönlich sehr herausfordernd. Auf dem Stand von 2019 sind wir auch heute noch nicht.“ Andrea Keller Nur vier Zutaten Neben den Früchten kommen noch Zucker, Apfel- pektin und Zitronensaftkonzentrat in den Kessel. Auf Aromen und andere Zusatzstoffe verzichtet Faller komplett. Nach zehn bis zwölf Minuten ist die Konfitüre fertig gekocht. Über Trichter wird sie noch heiß und flüssig durch Rohrleitungen, die in die Abfüllhalle führen, in große Behälter gegossen, von wo aus sie dann in ihre endgültigen Gefäße abgefüllt werden. Dies geschieht mithilfe einer technisch durchdachten Anlage. Mitarbeiter sorgen dafür, dass die neuen Gläser in die Maschine kom- men, wo sie zunächst mit einem quasi unsichtba- ren QR-Code versehen werden. „Wir können den Weg eines jeden Glases bis zum Händler nach- verfolgen, eigentlich sogar jeden Schritt ab Anlie- ferung des Obstes. Alles wird digital erfasst, ein lückenloser Qualitätsnachweis ist so möglich“, erklärt Faller. Über miteinander verbundene Laufbänder erhalten die Gläser nach mehrfacher Prüfung und Kühlung ihren Deckel und am Ende auch das passende Etikett. In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen wir Produkte vor, die viele kennen, von denen aber wenige wissen, dass sie in der Region hergestellt werden. Diesmal: Faller-Konfitüren aus Utzenfeld.

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