Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Mai'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

52 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 5 | 2023 PRAXISWISSEN BAG-Urteil zu fristloser Kündigung Vorsicht vor falschen Signalen K ündigt ein Unternehmen ein Arbeitsver- hältnis fristlos, weil es meint, die Fortset- zung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, und bietet es gleichzeitig dem Ar- beitnehmer zur Vermeidung von Vergütungs- risiken für die Dauer des Kündigungsschutz- prozesses eine Beschäftigung an, verhält sich der Arbeitgeber aus Sicht des Bundesarbeits- gerichts (Az. 5 AZR 255/22) widersprüchlich. Das lasse vermuten, dass das Beschäftigungs- angebot nicht ernst gemeint sei. Das Unter- nehmen kann sich deshalb später vor Gericht auch nicht darauf berufen. In dem verhandelten Fall vor dem BAG war ein Mitarbeiter als technischer Leiter beschäftigt und sollte eine per Änderungskündigung an- gebotene niedriger dotierte Stelle annehmen. Er lehnte ab und erschien auch nicht zur Ar- beit. Es kam, wie es kommen musste: Das Unternehmen kündigte nochmals fristlos – ergänzte aber, dass man den Mitarbeiter an Tag x zum Arbeitsantritt erwarte, sollte er die fristlose Kündigung ablehnen. Der Mitarbei- ter erschien nicht. Die Änderungskündigung wie auch die an- schließend erklärte fristlose Kündigung er- kannten die Arbeitsgerichte als rechtsunwirk- sam. Zudem verlangte der Mitarbeiter noch für mehrere Monate Gehalt bis zum Antritt einer neuen Stelle. Das Unternehmen hielt dagegen und argumentierte, dass der Mann nach Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht zur Arbeit erschienen sei. Die Richter gaben dem Mitarbeiter Recht. Er musste nicht zur Arbeit erscheinen, weil die Arbeitgeberseite mit dem Ausspruch der frist- losen Kündigung selbst zum Ausdruck gebracht habe, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht zuzumuten gewesen sei. Sich später im Prozess auf das Weiterbeschäf- tigungsangebot zu berufen, sei widersprüchlich und nicht als ernsthaft zu erachten. Olaf Müller, Endriß und Kollegen BGH-Urteil zu Vertragsschluss per E-Mail Erst denken, dann senden E -Mails sind ein nicht mehr wegzudenken- des Kommunikationsmittel, um Informati- onen auszutauschen, aber auch um Verträge zu schließen. Der Bundesgerichtshof hatte dabei jüngst zu entscheiden, wann eine per E-Mail übermittelte Willenserklärung dem Empfänger zugeht – und wie lange sie wi- derrufen werden kann. Das Fazit schon mal vorweg: Die Erklärung geht bereits in dem Moment zu, in dem die E-Mail auf dem Empfangsserver des Adres- saten gespeichert wird. Ein Widerruf der zu- gegangenen Erklärung ist danach nicht mehr möglich. Für Händler und Dienstleister bedeu- tet das: Ein per E-Mail übersandtes Angebot ist verbindlich, wenn es dem Adressaten zugegan- gen ist. Die Offerte ist dann bindend und ein Vertrag kommt zustande, wenn der Empfänger das Angebot annimmt. Hat man sich dabei vertan, ist ein direkt anschließend versandter Widerruf oder eine Korrektur des Angebots vergeblich. Dies ist nur vor oder gleichzeitig mit Zugang des Angebots noch möglich. Die Bundesrichter entschieden zudem (Az. VII ZR 895/21, Urteil vom 6.10.2022), dass eine E-Mail, die im Geschäftsverkehr inner- halb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers eingeht und damit abrufbereit ist, bereits mit Eingang auf dem Server tatsächlich zugegangen ist. Darauf, dass die Nachricht vom Empfänger abgerufen, geöffnet und gelesen wird, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein die Möglichkeit zur Kenntnisnahme. Zum Vergleich: Ein per Brief übermitteltes Angebot geht zu, wenn es im Briefkasten des Empfängers eingeht. Digitales Pendant zum Briefkasten ist der Mailserver. Änderungsvorbehalt einbauen Für die Praxis bedeutet das: Ein einmal ab- gegebenes Angebot ist bei Übermittlung per E-Mail faktisch bindend, da die Nachricht bin- nen Sekunden auf dem Server des Adressaten ankommt und als zugegangen gilt. Falls man sich Änderungen des Angebots vorbehalten möchte, ist es daher zu empfehlen, dies durch einen entsprechenden Disclaimer deutlich zu machen, wie zum Beispiel durch den Zusatz „ohne Obligo“ oder „Änderungen vorbehal- ten“. Nur dann ist eine einseitige Anpassung im Nachhinein noch möglich. Dies gilt im Üb- rigen generell für Angebote. Denn auch bei Übermittlung per Post muss damit gerechnet werden, dass das Angebot zeitnah zugeht und vom Empfänger angenommen wird. Ein Wider- ruf des Angebots kommt dann zu spät. Birgit Münchbach, Advant Beiten Bilder: Adobe Stock/ Krakenimages.com (oben), ivan (links)

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