Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Mai'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

45 5 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Trumpf Hüttinger GmbH & Co. KG An der Sichtbarkeit gearbeitet A uch wenn es letztlich völlig zurecht der Jobmotor-Preis für den stärksten Zuwachs in der Kategorie „über 200 Arbeitsplätze“ geworden ist, Elektronikspezialist „TRUMPF Hüttinger“ mit Sitz in Freiburg hätte auch genauso gut einen Preis für clevere Mitarbei- terkonzepte einheimsen können. Denn mit denen hat das Familien- unternehmen, das zur ebenfalls familiengeführten Trumpf-Gruppe gehört, den Personalzuwachs von 100 Beschäftigten überhaupt erst stemmen können. Um 22 Prozent, auf rund 550 Mitarbeiter zum Jahreswechsel, hat das Technologieunternehmen in 2022 zugelegt. „Um den vielen Kunden- aufträgen gerecht zu werden, war es einfach nötig, die Mannschaft entsprechend zu verstärken“, erklärt Geschäftsführer Rafal Bugyi und betont, dass man auch dauerhaft weiterwachsen wolle. „Das ist erklär- ter Teil unserer Unternehmensstrategie. Die Mitarbeiterzuwächse von 2022 sind toll – und unser HR hat das hervorragend gemacht – aber wir werden auch künftig intensiv am Ball bleiben.“ Um so viele Kandidaten für alle Abteilungen und Positionen auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen, habe die Firma auf breiter Front wieder an ihrer Sichtbarkeit gearbeitet, denn die sei in der Vergangenheit schon mal besser gewesen, sagt Bugyi. Kontakte zu Hochschulen wurden intensiviert und die Botschaft ausgesandt, dass Trumpf Hüttinger in Freiburg ein hochinnovatives Unternehmen und ein dauerhaft attrak- tiver Arbeitgeber ist. Als höchst nützlich beim Onboarding speziell der neuen Kollegen in der Produktion hat sich – neben vieler anderer Online- und Offline-Maßnahmen – ein Tool erwiesen, das seit vier Jahren im Unternehmen im Einsatz ist: der „Dojo“-Arbeitsplatz. Ein Arbeitsplatz außerhalb der Linie, „off the job“ gewissermaßen, an dem neue Mitarbeiter trainieren und sich zurechtfinden können. Angeleitet werden sie im 1:1-Coaching von den Auszubildenden. Eine Win-win-win-Lösung, erklärt Carolin Mandler, Prokuristin und HR-Chefin. „Die neuen Mitarbeiter können in Ruhe angelernt werden, ohne dass es den laufenden Prozess stört.“ Die Vorgesetzten werden entlastet – und die Azubis wachsen über sich hinaus. Überhaupt die Auszubildenden. Sie werden bei Trumpf Hüttinger gezielt in viele Prozesse eingebunden. Auch ins Recruiting. „Sie suchen quasi ihre Nachfolger mit aus“, erklärt Mandler. „Bewerber für eine Ausbildung oder ein duales Studium führen bei uns zwei Gespräche – eines mit dem Ausbildungsleiter Ralf Gärtner und eines mit Auszubildenden, die ihnen von ihrem Job be- richten, ihnen den Betrieb zeigen – und darüber ein sehr authentisches Bild von dem Kandidaten bekommen.“ Die Einschätzung der Azubis, ob der Bewerber ins Unternehmen und zur Firmenkultur passt, fließt in die finale Entscheidung mit ein. Wiedermal Win-win: Die Azubis wachsen mit der Aufgabe und der Verantwortung. „Ich glaube, mit diesem Ansatz sind wir ziemlich einzigar- tig“, schätzt Ralf Gärtner und verweist auf den Hüttinger-Slogan „Trusting in brave ideas“. „Wir fanden das eine ‚brave idea‘.“ uh E. Wehrle GmbH aus Furtwangen In der Ausbildung vieles möglich machen J obbörsen, Tag der offenen Tür oder Ausbildungsbotschafter – die E. Wehrle GmbH aus Furtwangen geht ganz aktiv auf den Nach- wuchs zu, um auf sich aufmerksam zu machen. Und man lässt sich auf die jungen Leute ein, macht vieles möglich, räumt Steine aus dem Weg. So engagiert, dass die Jobmotorjury einen Preis fürs clevere Ge- samtkonzept in der Kategorie „über 200 Arbeitsplätze“ springen ließ. Als Einstieg für Kandidaten, deren schulische Grundlage früher ein Ausschlusskriterium dargestellt hätte, bietet das Familienunterneh- men seit 2019 den Beruf des Maschinen- und Anlagenführers an. Läuft es gut, ist nach der zweijährigen Ausbildung längst nicht Schluss, Fort- und Weiterbildungen sind denkbar. „Während der Ausbildung durchlaufen die Auszubildenden im Zuge von Ausbildungsrundgängen Großteile unseres Unternehmens, wobei ihnen in allen Abteilungen Ausbildungspaten mit Rat und Tat zur Seite stehen“, erläutert Michelle Lubenow, Ausbildungskoordinato- rin des Unternehmens. So ist stets Abwechslung geboten. Auch die von Wehrle-Azubis eigenverantwortlich geführte Juniorfirma bietet viel Entfaltungsspielraum. Jeder hat seine eigene Aufgabe von Ge- schäftsführung über Einkauf und Vertrieb bis hin zur Abrechnung. Seit 2020 beschäftigt der Hersteller für Durchflussmessgeräte Baderalden Mohamed Adam, einen jungen Geflüchteten aus dem Sudan, der mittlerweile im dritten Lehrjahr ist und „alle im Betrieb begeistert“, so Lubenow. Der 23-Jährige konnte dank des über das Landratsamt lau- fenden Programms AV Dual in seine Ausbildung starten. Es ermöglicht Jugendlichen mit Förderbedarf einen erfolgreichen Übergang in die Ausbildung – auch ohne Schulabschluss. Nach einem Praktikum bot Wehrle dem jungen Mann den Ausbildungsplatz an. Ein Glücksgriff, meint die Ausbildungskoordinatorin: „Wir sind froh, dass das geklappt hat, Baderalden Mohamed Adam ist mit einer solchen Begeisterung bei der Arbeit. Wir haben alles richtig gemacht!“ Problematisch sind indes die öffentlichen Verkehrsmittel rund um Furtwangen. Azubis können in der Regel nur aus der Nähe kommen. Erste Ideen zur Abhilfe gibt es schon – von Wohngemeinschaften bis zu Sammelbussen. Noch sind sie Zukunftsmusik. Denkbar wäre der Zusammenschluss mit anderen Firmen vor Ort. Denn, so sagt Michelle Lubenow: „Gemeinsam schafft man mehr, gerade, wenn es um die Finanzierung einer solchen Lösung geht.“ ak Trumpf-Hüttinger- Geschäftsführer Rafal Bugyi Personalleiterin Carolin Mandler Ausbildungschefin Michelle Lubenow und Azubi Baderalden Mohamed Adam

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