Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'23 -Südlicher Oberrhein

7 4 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten TITEL A sterix hat seinen Zaubertrank, um stark zu sein. Bei Ironman macht der Anzug den Unterschied und Spiderman kann sich auf seinen Spinnensinn verlassen. Doch auf was können Unternehmer zurückgrei- fen, wenn in ihrem Alltag wieder mal Superkräfte nötig sind? Denn die Erwartungen von allen Seiten an die Füh- rungsspitze sind oft ähnlich hoch wie die an Superhelden und die Aufgaben nicht minder anspruchsvoll, wenn etwa die Maschinen nicht so laufen wie geplant, wenn Kunden querschlagen, wenn neue Gesetze das Leben schwer machen, wenn die Belegschaft einen mitreißenden Vor- turner erwartet, während einen die Sorge um die Zukunft nachts nicht schlafen lässt. Tatsächlich sind Unternehmenslenker auch nur Men- schen – mit Gefühlen, Ängsten und einem endlichen Vorrat an Energie. Um den täglichen Ansprüchen von allen Seiten gerecht zu werden und die gute Laune nicht zu verlieren, ist vor allem Widerstandskraft ge- fragt. Die ist zwar zu einem guten Teil angeboren, doch sie lässt sich auch trainieren, wie die Forschung zeigt. Eine wichtige Zutat: Selbsterkenntnis. Krisen sind das neue Normal Heike Akli ist Wirtschaftspsychologin und Coach. Sie befasst sich mit Themen, „bei denen es ‚menschelt‘, also um das Miteinander in Unternehmen“, sagt die 57-Jährige. Für sie steht fest: „Krisen werden unsere neue Realität werden. Daran sollten wir uns gewöhnen.“ Dabei stehe das im Gegensatz zum Wunsch und Drang vieler Führungskräfte, stets Sicherheit, Stabilität und Stärke vermitteln zu wollen. „Eine Krise ist durch un- berechenbare Faktoren gekennzeichnet.“ Wer sich als Unternehmer dann hinstellt und verkündet, er wisse, wo es langgehe oder was demnächst geschehen werde, riskiert, dass der Schuss nach hinten losgeht. Besteht doch die Gefahr, dass alles anders kommt. Daher sei es wichtig, so Akli, anzuerkennen, dass es Unwägbarkeiten gibt. „Was Mitarbeitende in solchen Situationen dann Sicherheit gibt, ist die Ehrlichkeit von Führungskräften zu sagen, dass sie es kurzfristig auch mal nicht wissen.“ Das entlastet auch die Chefs und sie können das Schau- spielern denen überlassen, die das beruflich machen. Stabile Netzwerke, eine aktive Recherche, kurze Auszei- ten und einen starken privaten Halt: Das sind für Rüdiger Wörnle die Zutaten, um auch in schwierigen Lagen zu- rechtzukommen. Wie etwa während Corona: Das Dorint Thermenhotel im Freiburger Süden teilt sich ein Dach mit der Mooswaldklinik. Geleitet werden beide von Wörn- le. Während die Klinik geöffnet blieb, musste das Hotel phasenweise schließen. „Das war ein brutaler Spagat“, bekennt er. Und auch der Bau seines Gesundheitsresorts Luisenhöhe in Horben verlangt immer wieder gute Ner- ven und ein sonniges Gemüt. Den Schulterschluss suchen Kraft holt er sich in solchen Zeiten zu Hause. „Für mich ist der Austausch mit meiner Frau und meinen Söhnen, die alle in anderen Berufen arbeiten und so andere »Es ist wichtig anzuerkennen, dass es Un- wägbarkeiten gibt« Heike Akli Coachin, Rottweil »Durch den Austausch mit Kollegen verlieren große Herausforde- rungen ihren Schrecken« Rüdiger Wörnle Inhaber Mooswaldklinik, Dorint Thermenhotel, Luisenhöhe, Freiburg und Horben Erfahrungen eingebringen, hilfreich und bedeutsam. Das gilt sowohl für mich als Menschen als auch als Unternehmer.“ Dazu kommen kleine Auszeiten bei Spaziergängen im benachbarten Wald. Eine weitere Strategie: Statt darauf zu warten, dass Informationen zu ihm durchdringen, setzt der Hotelier auf aktive In- formationsbeschaffung – persönlich und direkt sowie über und mit Verbänden. „Der freundschaftliche Aus- tausch mit meinem Freund und Kollegen Christoph Glück von der Dehoga trägt dazu bei, dass große He- rausforderungen ihren Schrecken verlieren und man weiß, dass man nicht allein ist.“ „Die großen Erfolge in der Weltgeschichte waren im- mer Teamerfolge“, sagt Heike Akli. Vielleicht stand am Ende nur eine Person auf dem Podium oder wurde gelobt, aber kein König habe allein ein Schloss gebaut. Daher sind Zusammenarbeit und Vertrauen wichtige Bausteine für das Gelingen eines Vorhabens oder um kritische Situationen zu meistern, fasst sie zusammen: „Miteinander reden, Gedanken auszutauschen, sich inspirieren, ehrlich sein: Das hilft ungemein.“ Abstand schaffen „Ich habe einen externen Coach, mit dem ich mich regelmäßig austausche. Das hilft mir dabei, mich zu re- flektieren, weil ich mit ihm offen spreche und im Gegen- zug Fragen gestellt bekomme, die mich weiterbringen“, sagt Andreas Balke. Mehr noch: Der Geschäftsführer des Verpackungsmaschinenspezialisten Rota in Wehr hat eine Ausbildung zum psychodynamischen Coach absolviert, um genauer hinter die eigenen Kulissen schauen zu können und sein Handeln zu analysieren. „Ein sehr guter Freund hat diese Ausbildung ebenfalls gemacht und befindet sich in ähnlicher Verantwortung. Mit ihm tausche ich mich auch aus. Das tut uns beiden gut“, beschreibt es der 52-Jährige. Ein Ergebnis ist für ihn die Trennung von Beruf und Privatleben sowohl gedanklich als auch geographisch. Zwischen Wehr und seinem Zuhause liegen etliche Au- tobahnkilometer. „Das ist mir wichtig, um Abstand zu haben. Außerdem trage ich an Wochenenden keine Anzüge und schaue – in der Regel – nicht in meine Unterlagen oder checke E-Mails.“ Stattdessen stehen bei Andreas Balke die Familie im Vordergrund und das persönliche Wohlergehen mit Sport, Spaziergängen und einem guten Buch. Schon ganz anderes überstanden Christoph Glück ist Vorsitzender der Kreisstelle Frei- burg-Stadt des Hotel- und Gaststättenverbands De- hoga und damit für viele Hoteliers und Gastronomen ein wichtiger Ansprechpartner. Der Geschäftsführer des Restaurants „Zum Roten Bären“ in Freiburg ist bei allgemeinen Krisen daher gleich doppelt gefordert. Als emotional herausfordernd bezeichnet er dabei den Umstand, „dass es keine unternehmerischen Fehler sind, die einem unterlaufen. Mit denen könnte ich mich auseinandersetzen. Aber hier sind es externe Faktoren, Bild: Willrow Hood - stock.adobe.com

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