Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

7 3 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten TITEL Z ur ersten Teilzeitauszubildenden ist man bei Straub Verpackungen, das muss man ehrlich feststellen, eher wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. „Bei einer unserer Auszubildenden, einer jungen Mutter, zeichnete sich ab, dass das Ganze in Vollzeit nicht mehr rund laufen würde“, erinnert sich Ausbildungsleiter Thomas Eick. Und weil man das Thema Teilzeitausbildung schon aus dem IHK-Kosmos kannte, stellte man kurzerhand die Ausbildung um und alle waren wieder glücklich. Dies ist nun schon ein paar Jahre her und im ver- gangenen Herbst hat mit Isabell Jöhnk bereits die vierte junge Mutter eine Ausbildung in Teilzeit bei dem Verpackungsspezialisten aus Bräunlingen begonnen. 30-Stunden-Woche, Berufsschu- le ganz normal wie ein Vollzeitazubi und gelernt wird abends, wenn die Toch- ter im Bett ist. „Ich bin froh über das Angebot, das Straub hier macht. Kein anderes Unternehmen, das ich darauf angesprochen habe, hatte so etwas zu bieten“, sagt Jöhnk. Und Kollegin Stefa- nie Foki, die vor Kurzem ihre Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen hat und an sich schon gelernte Hotelkauffrau war, ergänzt: „Die Teilzeitoption war überhaupt der Grund, warum ich mich noch mal für diese Ausbil- dung entschieden habe.“ Und sie lernt bereits wieder – für den Ausbilderschein bei Straub. „Wir haben bislang aus- schließlich gute Erfahrungen mit der Teilzeitausbildung ge- macht. Die jungen Frauen sind 1A organisiert und zielstrebig und haben vielen Jugendlichen in Sachen Reife einiges voraus“, beobachtet Thomas Eick und kann sich gar nicht erklären, was andere Unternehmen da- von abhält. „Mittlerweile bieten wir die Teilzeitausbil- dung aktiv zum Beispiel auch auf Messen mit an“. Darüber ist auch Isabell Jöhnk auf- merksam geworden: „Stefanie hat mir auf der letzten ‚Jobs for Future‘ am Straub- Stand von ihren Erfahrungen berichtet.“ Auf der kommenden Jobmesse wird sie selbst jungen Eltern von ihrer Teilzeit- ausbildung erzählen – und so ihrem Ar- beitgeber helfen, eine weitere Zielgruppe für eine Ausbildung im Hause zu interessieren. Sisyphos lässt grüßen Tatsächlich ist das Gewinnen von potenziellem Nach- wuchs auch in diesem Jahr wieder eine harte Nuss für so gut wie alle Unternehmen, quer durch die Branchen und Ausbildungsberufe. Kaum eine Ladentür, an der nicht ein „Bewirb dich bei uns“-Schild prangt, kaum ein Supermarkt oder Bäcker ohne „Komm in unser Team“-Beachflag im Eingangsbereich. „Wir haben zum Jahresende 2022 ein Plus von sechs Prozent bei den Ausbildungsverträgen zu verzeichnen gehabt“, stellt Miriam Kammerer, stellvertretende Ge- schäftsbereichsleiterin bei der IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg, fest. „Das ist ein toller Erfolg, aber es ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass uns nach wie vor viele Betriebe rückmelden: ‚Wir bräuchten drin- gend mehr Bewerber‘.“ Selbst in kaufmän- nischen Ausbildungsberufen wie etwa dem Industriekaufmann, die in früheren Jahren immer mit als erste besetzt waren, gibt es jetzt noch Lücken. „Es wird auch dort zunehmend schwerer, qualifizierte Jugend- liche zu finden“, bestätigt Ellen Wagner, Geschäftsführerin der Wagner System GmbH in Lahr aus eigener Erfahrung. „Gleiches Spiel mit den Vorpraktikums- plätzen“, ergänzt sie. „Normalerweise sind wir da schon im Herbst des Vorjahres fürs Frühjahr voll belegt. In diesem Jahr sind wir davon noch weit entfernt.“ – Woran es liegt? Geburtenschwache Jahrgänge? Ori- entierungslosigkeit? Angst vor Entschei- dungen? Fehlender Leidensdruck durch das große Angebot? Von allem wohl ein bisschen, meinen die IHK-Ausbildungsex- perten unisono. Auch wenn bei den IHKs der eine oder an- dere Vertrag für den Herbst tatsächlich schon im vergangenen Jahr eintrudelte, setzt sich unterm Strich ein Trend fort, der schon seit einigen Jahren zu beobachten ist: Das gesamte Recruitinggeschehen verlagert sich zeitlich. Ins Frühjahr, in den Sommer. Mindestens. Für Unternehmen ungewohnt und lästig – fehlt doch die Planbarkeit – aber auch eine Chance: Denn so ist es noch nicht zu spät, in Sachen Azubisuche eine Schippe draufzulegen. Noch gibt es unentschlossene Jugendliche – die es zu erreichen und zu begeistern gilt. Auch anderen eine Chance geben Eine Option, den potenziellen Kandidatenpool zu ver- größern, wäre, wie es Straub Verpackung etwa mit der Teilzeitausbildung vormacht, neue Zielgruppen mit – angepassten – Ausbildungsangeboten zu be- dienen. Das können Bewerber aus dem Ausland oder Geflüchtete sein (siehe WiS Ausgabe 2/2023). Studi- enabbrecher. Ungelernte Mitarbeiter aus der eigenen Belegschaft. Lernschwache Jugendliche. Oder Menschen mit einem Handicap: Auf einer gut besuchten Podiumsdiskussion zum Thema Inklusion im Betrieb Anfang Februar im Autohaus Schmolck in Emmendingen berichtete beispielsweise Hotelier und Gastronom Kurt Lahn vom Hotel „Die Krone“ in Staufen, wie er vor Jahren – anfangs tatsächlich eher widerwillig und auf Druck seines Sohnes – zu einem höchstmotivier- ten Kochazubi kam, dem der rechte Arm fehlt. Und den Isabell Jöhnk (oben) und Stefanie Foki (unten) können bei Straub Verpackungen ihre Ausbildung in Teilzeit absolvieren. So passen Berufseinstieg und Familie besser unter einen Hut. Bild (links): Adobe Stock, jirawatp »Viele Betriebe melden uns aktuell zurück, dass sie dringend noch Bewerber brauchen« Miriam Kammerer

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