Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

57 2 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Urteil zum Versetzungsrecht Umtopfen ins Ausland ist möglich N ach einer Entscheidung des Bundes- arbeitsgerichts vom 30. November 2022 (Az. 5 AZR 336/21) sind Arbeitgeber aufgrund des arbeitsvertraglichen Direkti- onsrechts berechtigt, Arbeitnehmer aufzu- fordern, an einem Arbeitsort im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag oder den Umständen nach konkludent etwas an- deres vereinbart worden ist. Das gesetzlich geregelte Weisungsrecht des Arbeitgebers sei nicht auf das Territorium der Bundes- republik Deutschland begrenzt. Allerdings unterliegt es einer Billigkeitskontrolle. In dem verhandelten Fall war ein seit 2018 bei einem international tätigen Luftfahrtun- ternehmen – arbeitsvertraglich war irisches Recht vereinbart – Pilot bislang in Nürnberg „stationiert“. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass er auch an anderen Orten „stationiert“ werden könne. Aufgrund einer Entscheidung der Luftfahrtgesellschaft, die Homebase am Flughafen in Nürnberg aufzugeben, versetzte diese den Mitarbeiter an ihre neue Homeba- se nach Bologna. Arbeitsvertraglich war eine unternehmens- weite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, womit auch eine Versetzung an einen aus- ländischen Arbeitsort in Betracht kam. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeits- orte in Deutschland war dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Maßnahme habe auch billigem Ermessen entsprochen, zumal die Versetzung Folge einer unternehmerischen Entscheidung gewesen sei, den Heimatflug- hafen in Nürnberg aufzugeben und nach Italien zu verlegen. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort wa- ren nicht vorhanden. Die Entscheidung könnte insbesondere Aus- wirkungen auf Unternehmen haben, die im Dreiländereck international tätig sind. Olaf Müller, Endriß & Kollegen Urteil zur Erreichbarkeit nach Dienstschluss Kein Anschluss unter dieser Nummer H ier eine kleine Terminänderung, da die Bitte um eine Information oder um Unterlagen – nicht selten kontaktieren Führungskräfte ihre Mitarbeiter auch noch nach Feierabend. Doch dürfen sie dann auch erwarten oder sogar fordern, dass die Be- schäftigten diese Nachrichten in ihrer Frei- zeit lesen und beachten? Nein, dürfen sie nicht. Das hat das Landesar- beitsgericht Schleswig-Holstein im Septem- ber entschieden, das entsprechende Urteil wurde vor Kurzem veröffentlicht (Az. 1 Sa 39 öD/22). Ein Arbeitnehmer muss keine dienstlichen Nachrichten in der Freizeit lesen, so die Ar- beitsrichter. Das Recht auf Nichterreichbar- keit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers auch dem Persönlichkeits- schutz. „Es gehört zu den vornehmsten Per- sönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er oder sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht“, zitiert das Rechtsportal Legal Tribune Online das Landgericht. Ein Arbeitgeber darf also nicht davon ausge- hen und erwarten, dass Nachrichten nach Feierabend ankommen und beachtet werden. Nimmt der Mitarbeiter, so heißt es im Urteil, Nachrichten in dieser Zeit nicht zur Kenntnis, gehen sie ihm offiziell erst beim nächsten Dienstbeginn zu. In dem verhandelten Fall ging es um einen Notfallsanitäter, der einige Male nicht auf kurzfristige Dienstplanänderungen, die ihm nach Feierabend per Telefon, SMS und E-Mail mitgeteilt worden waren, reagiert hatte und wie ursprünglich geplant zum Dienst erschie- nen war. Weil der Mitarbeiter aber deshalb natürlich auch nicht zur geänderten Schicht erschienen war, wertete sein Arbeitgeber die- ses Verhalten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte eine Er- und eine Abmahnung. Die Rüge muss nun aus der Personalakte wieder entfernt werden, zudem erhält der Beschäftigte die strittigen Arbeitsstunden gutgeschrieben. Das Urteil ist noch nicht final in trockenen Tüchern, das Landgericht ließ für den Fall Revision zu. uh Bilder: Adobe Stock/Mykola (links), Ironwool (rechts), Anna (oben)

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