Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

55 2 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten vorne mit dabei zu sein, müssten Unternehmen nicht nur den Spielregeln der Algorithmen folgen und Begriffe verwenden, nach denen potenzielle Bewerber suchen. Wichtig sei es zu- dem, Stellenanzeigen als Text und nicht als PDF auf Webseiten einzubinden. „Nur so können Jobportale Inhalte automatisiert übernehmen und bei sich anzeigen.“ Der beste Jobtitel helfe nichts, wenn Stellenanzeigen online unauffindbar sind. Personalern, die – vielleicht gerade im Zusammenhang mit neugeschaffenen Positionen – bei der Benennung unsicher sind, empfiehlt die Beraterin: „Schreiben Sie für die Stelle relevante Schlagworte wie Assistenz, Marketing oder Projekt- management in die Suchleiste von Onlinestellenbörsen. Deren Algorithmen ergänzen Ihre Eingaben selbstständig auf Basis der häufigsten Suchanfragen. So sehen Sie, welche Formu- lierungen aktuell gefragt sind.“ Sofern es das Budget erlaubt, könnten sich Unternehmen hierzu auch von den jeweiligen Anbietern beraten lassen. Konkrete Angaben punkten beim Bewerber Laut dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium waren im Dezember 2022 landesweit 105.010 offene Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit registriert. Demgegenüber standen 227.463 arbeitslose Menschen. „Wir befinden uns auf einem Bewerbermarkt. Um sich hier optimal zu positionieren, sollten Unternehmen deutlich, und möglichst weit vorne, her- ausstellen, was Bewerber speziell nur bei ihnen erleben kön- nen“, sagt Ann Seger. Damit meint sie nicht gängige Standards wie Weihnachtsgeld oder ÖPNV-Zuschuss, sondern Antworten auf Fragen wie: Was macht die Stelle inhaltlich aus? Wie kann ich mich fachlich weiterentwickeln? Welche Aufstiegsmöglich- keiten habe ich? Wichtig sei, schwammige Aussagen wie „flexible Arbeitszeiten“ und „mobiles Arbeiten“ zu definieren. „Hinter ersterem kann sich vom Drei-Schicht-Modell über Kernarbeitszeit bis zum Jahresar- beitszeitkonto alles verbergen. Und mit Blick auf das Zweite sei gesagt, dass es für Bewerber einen Unterschied macht, ob es eine gewisse Präsenzpflicht gibt, sie nur in Ausnahmefällen von zu Hause aus arbeiten können oder frei entscheiden dürfen, wann sie ins Büro kommen,“ erklärt die Marketingexpertin. Auch beim Entscheidungskriterium Geld plädiert sie für Offenheit. „Diese erhöht die Chance, dass sich Arbeitgeber und Bewerber bei den Gehaltsvorstellungen treffen, was wiederum den Auswahlprozess verschlankt und allen Seiten Zeit spart.“ Gretchenfrage: Was braucht’s wirklich? Studium, Berufserfahrung, Budgetverantwortung, verhand- lungssicheres Englisch, sehr gute Kenntnisse in einer weiteren Fremdsprache, Fachwissen, Führungskompetenzen, anwen- dungssicherer Umgang mit Computerprogrammen, kommu- nikationsstark, kreativ, organisiert… Nicht immer werden alle Punkte der zumeist langen Anforderungsliste in der Praxis benötigt. Um auch Kandidaten für sich zu gewinnen, die (noch) nicht alle Aspekte erfüllen, rät Karin Walther: „Machen Sie sich vorab klar, welche Qualifikationen für die Position es- senziell sind, welche nur wünschenswert und welche sich im Nachhinein noch entwickeln lassen. Und schreiben sie nur die ersten auf.“ Denn: Die sprichwörtlich eierlegende Wollmilchsau gibt es ohnehin nicht. Daran hat Ann Seger keinen Zweifel. „Perso- nalverantwortliche tun gut daran, die Tüte auch für Querein- steiger mit Berufserfahrung aufzumachen, anstatt starr nach Schema F auszusieben“, sagt sie und stellt die Charakterfrage. „Wer neue Mitarbeiter sucht, muss sich fragen, welche Per- sönlichkeit sowohl auf den Posten als auch ins Team passt und dies entsprechend kommunizieren.“ Es bringe nichts, gutklingende Eigenschaften zu fordern, die für die eigentliche Tätigkeit entbehrlich, wenn nicht sogar hin- derlich, sind. Als überspitzes Beispiel nennt sie den kreativen Sachbearbeiter: „Buchhaltung etwa lässt wenig Gestaltungs- und Veränderungsspielraum. Warum also jemanden einstellen, der es gewohnt ist, selbstverantwortlich zu entscheiden und nicht eine Person, die sich gut in vorhandene Prozesse einfü- gen kann?“ Im schlechtesten Fall kündigt der neue Mitarbeiter aufgrund von Unzufriedenheit zeitnah wieder. Die Gefahr von Fluktuation entsteht auch, wenn das Naturell des Wunschkan- didaten nicht mit dem Gruppengefüge harmoniert. Und dann? Fängt die Suche wieder von neuem an – vielleicht mit einer anders formulierten Stellenbeschreibung. ks DAS KLEINE 1X1 DER STELLENANZEIGEN Branchenübliche Jobtitel nutzen: So erhöhen Sie die Chance, dass Ihre Wunschkandidaten die Stellenausschreibung finden. Auf das Wesentliche konzentrieren: Nennen Sie nur Qualifika- tionen, die es für die Position wirklich braucht und streichen Sie inhaltsleere Floskeln. Neugierde wecken: Machen Sie am Anfang der Stellenanzeige klar, wodurch Sie sich als Arbeitgeber von Wettbewerbern un- terscheidem und was Mitarbeiter nur bei Ihnen erleben werden (Stichworte: Aufgaben und individuelle Weiterentwicklung). Konkret bleiben: Verzichten Sie auf schwammige Formulierun- gen zugunsten präziser Angaben. Mobiles Arbeiten ist nur in Ausnahmefällen möglich? Dann schreiben Sie das. Persönlichkeit beachten: Neue Mitarbeiter müssen fachlich wie charakterlich ins Team passen. Auch derartige Anforderungen haben in Stellenausschreibungen Platz. Enttäuschungen vermeiden: Zeichnen Sie in Ihren Anzeigen- texten ein realistisches Bild, damit Sie bei Bewebern keine unhaltbaren Erwartungen wecken und Kündigungen riskieren.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5