Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

GRUNDZÜGE DES NEUEN FACHKRÄFTEEINWANDERUNGSGESETZES Im Januar legten Bundesarbeits- und in- nenministerium einen Entwurf für das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) vor, das vor allem die Hürden für Arbeits- und Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten senken soll. Aktuell erfolgen Abstimmung und Fein- tuning in den Ressorts, bevor das Gesetz – voraussichtlich noch im ersten Halbjahr – Bundestag und -rat passieren und an den Start gehen kann. Die DIHK und andereWirt- schaftsverbände hatten die Entstehung des Gesetzes mit Vorschlägen begleitet. Details zum FEG sind noch nicht fix, aber grob sieht es unter anderem vor, dass Beschäftigungseinwanderung über drei „Säulen“erfolgen soll: eine Fachkräfte-, eine Erfahrungs- und eine Potenzialsäule. dass im Rahmen der Fachkräftesäule die Bedingungen für die „Blaue Karte EU“ (für Akademiker mit Job/Stellenzusage) verbes- sert werden: niedrigere Gehaltsvorgaben, Arbeitgeberwechsel und Familiennachzug werden einfacher. Studenten sollen leichter nebenjobben dürfen. IT-Experten brauchen keine Sprachnachweise mehr, Berufserfah- rung und Gehaltsschwelle sinken. dass eine anerkannte Fachkraft in Deutsch- land grundsätzlich in jedem qualifizierten, nicht reglementierten Beruf arbeiten darf und nicht nur im anerkannten Beruf. dass in der Erfahrungssäule ausländische Fachkräfte ohne hierzulande formal aner- kannten Abschluss in nicht reglementierten Berufen arbeiten dürfen, wenn sie zwei Jahre Berufserfahrung und einen mindestens zwei- jährigen Berufsabschluss aus dem Heimat- land mitbringen. Bedingung sind Mindest- gehalt oder Tarifbindung. dass für vorqualifizierte Drittstaatenan- gehörige mit (existenzsicherndem) Arbeits- vertrag das Anerkennungsverfahren nach Deutschland verlegt wird, wenn derArbeitge- ber eine Anerkennungspartnerschaft erklärt. Der Mitarbeiter kann sofort arbeiten. dass ausländische Bewerber, die noch ohne Arbeitsvertrag sind, per Chancensäule einrei- sen dürfen. In einem Punktesystem benöti- gen sie sechs Punkte für eine Chancenkarte über ein Jahr. Sie erlaubt auch Probearbeiten. Punkte gibt es für Sprachkenntnisse, Berufs- erfahrung, Alter und Deutschlandbezug. dass dieVorrangprüfung fürAzubis entfällt. dass dieWestbalkanregelung entfristet und das Kontingent möglicher Arbeitskräfte auf 50.000 aufgestockt wird. Zudem ist ein Son- derkontingent für Saisonarbeiter in Planung. titel Denn Hilfestellungen gibt es reichlich, „sodass man eigentlich keine eigene Stelle dafür im Unternehmen schaffen muss“, meint Olga Kuchendaeva, die bei der Regionalen Koordinationsstelle Fachkräfteeinwanderung (RKF) in Freiburg Arbeitgeber zum Thema berät. „Es gibt uns, es gibt die Welcome Center. Und bei Bedarf auch gute Agenturen zum Anheuern.“ Der Aufwand lohne, sagt sie: „Wir haben immer wieder Rückmeldungen von Unternehmen, die mit dem Hereinholen zwar argen Auf- wand hatten, die aber letztlich begeistert sind, weil sich die neuen Mitarbeiter gut machen.“ Trotzdem, wenn Deutschland ein echtes Zuwanderungs- land werden will, wie es sich die Bundesregierung vorge- nommen hat, muss vieles einfacher werden. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll es richten (mehr dazu im Kasten). Aber kann das klappen? Ramona Shedrach hegt zumindest die Hoffnung. „Wenn zum Beispiel die Anerkennungsverfahren künftig hier stattfinden können, ist das für alle schon mal eine Er- leichterung.“ Trotzdem teilt sie die Bedenken von Ibrahim Sarialtin und Sabrina Branner, die bei der IHK Südlicher Oberrhein Zugewanderte und Unternehmen beraten. „Wir begrüßen das neue Gesetz sehr, hoffen aber auch, dass zugleich die Personalsituation in den Ämtern deutlich verbessert wird, dass noch stärker entbürokratisiert wird, und der Spracherwerb im Ausland mehr gefördert wird“, stellt Sarialtin fest. „Aktuell brauchen Unternehmen Steh- vermögen, wenn sie Mitarbeiter reinholen wollen.“ Pragmatische Lösungen wären hilfreich, meint auch Alexander Graf, Geschäftsführer der IHK Hochrhein- Bodensee: „Vielleicht schraubt das Gesetz die Hürden ja so weit runter, dass es die Firmen einfach mal ver- suchen. Vielleicht kommt der große Wurf auch erst in einer späteren Version – für die uns aber eigentlich die Zeit fehlt.“ Ulrike Heitze Anton Häring KG, Bubsheim Ohne Sprache ist alles nichts Bei der Anton Häring KG auf der Schwäbischen Alb hat man Erfahrung mit dem Inte- grieren von Mitarbeitern aus demAusland: Seit über 20 Jahren kommen dieTrainees der Auslandstöchter für mindestens drei Jahre an den Stammsitz nach Bubsheim, bevor sie größere Fach- und Führungsverantwortung übernehmen. „Aus China waren bereits gut 150 Mitarbeiter hier, viele Kollegen auch aus Po- len“, zählt Geschäftsführerin Miriam Häring auf. „Und wir haben extrem gute Erfahrungen ge- macht. Deshalb haben wir 2021 begonnen, auch Auszubildende aus demAusland zu rekrutieren.“ Einer der wichtigsten Faktoren für ein erfolgrei- ches Eingewöhnen sei, so Häring, die deutsche Sprache. „Unsere Kandidaten bringen ein B2- Level mit, aber das reicht für den täglichen Job nicht. Im ersten Jahr nimmt der Spracherwerb deshalb einen Hauptteil der Zeit ein.“ An der Häring-Akademie unterrichten sieben Deutsch- lehrer quasi rund um die Uhr im Einzelunterricht (im Bild). Auch in den Ausbilderteams wird sprachlich nachgeholfen. Zudem sei die Erwin-Teufel-Berufsschule in Spaichingen sehr hilfsbereit, berichtet Häring. Gemeinsame Ausflüge in die Region und die enge Anbindung an die heimische Vereinswelt – von Fußball bis Feuerwehr – tun ihr übriges fürs Eingewöhnen. „In der Summe kommen wir so gut durch. Ich glaube, diesen Aufwand muss man schon betreiben, wenn man möchte, dass die Mitarbeiter gut ankommen und sich wohlfühlen.“ Solch eine gewach- sene Infrastruktur ist nicht mal eben zu kopieren, trotzdem sollte das kleine Firmen nicht abhalten, es mal mit einem oder zwei Kandidaten aus demAusland zu probieren, ermutigt Häring. Neben einer schnellerenAbwicklung der Formalitäten erhofft sie sich genau das vom neuen Einwanderungsgesetz: „Dass man von offizieller Seite endlich weniger Bedenken hat und so mehr fähigen und arbeitswilligen Menschen die Chance gibt, sich zu integrieren und tolle Kollegen zu werden. Das würde dann mehr Unter- nehmen ermutigen. Klar, das Ganze bleibt aufwendig.“ Aber ausländische Mitarbeiter seien eben auch eine gute und wertvolle Ergänzung im Team, so Miriam Häring. uh Bild: Marc Eich

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5