Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

9 2 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Susana Hernandez Sosa, Dachser SE, Gewerbep. Breisgau Hartnäckigkeit siegt Viel Geduld und ein gehöriges Maß an Zuversicht – das benötigen nicht nur Unternehmen, die Beschäftigte aus dem Ausland rekrutieren, sondern auch die neuen Kollegen auf der anderen Seite der Grenze. „Am schlimmsten war, keine Neuigkeiten zu bekommen. Ich habe viel mit Botschaft und Behörden telefoniert, aber niemand konnte sagen, wann es weitergeht“, erinnert sich Susana Her- nandez Sosa an ihreWartezeit in Mexiko aufs Visum, die sie zwar fürs Deutschler- nen nutzte, die mit mehr als sechs Mo- naten aber doch sehr lang wurde. „Man hat dann Angst, dass das Unternehmen irgendwann sagt, das geht so nicht. Es tut einem schrecklich leid, aber man kann ja nichts dafür.“ Auch wenn es die heu- te 28-Jährige letztlich doch nicht ganz pünktlich zumAusbildungsbeginn schaff- te, hat ihr Arbeitgeber Dachser SE gerne auf sie gewartet. Seit anderthalb Jahren nun wird sie bei dem Logistikdienstleister im Gewerbepark Breisgau nahe Eschbach zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistungen ausgebildet und ist gut angekommen, findet sie. Nach der Millionenstadt Puebla sei Hartheim, wo sie eine kleine Einzimmerwohnung ergattert hat, zwar erstmal ungewohnt gewesen, „aber man muss offen sein, wenn man dieWelt sehen will. Das war mein altes Leben, jetzt habe ich ein neues“, sagt sie charmant und kann sich nach der Ausbildung eine Zukunft bei Dachser sehr gut vorstellen. „Wir sind ein Familienunternehmen und haben viele – auch internationale – Standorte.“ Das waren auch Gründe für ihre Initiativbewerbung. Und Deutschland sei sicher und eineWelt voller Möglichkeiten. Sprachkurse vomArbeitgeber haben beim Eingewöhnen ebenso geholfen wie ein Tutor – „mein Engel“, wie sie ihn schmunzelnd nennt – der sie nicht nur durch die Ausbildung begleitet, sondern auch bei Behördengängen hilft. Das Deutsch der jungen Mexikanerin ist inzwischen richtig gut, „Aufenthaltstitel“ ist aber nach wie vor ein anstrengendes Wort – in vielerlei Hinsicht. uh konkret dabei, in Verkehr und Logistik sind es kaum we- niger, gefolgt von der Informationswirtschaft mit rund 28 Prozent. Weitere 20 bis 25 Prozent der Betriebe aus HoGa und Logistik, aus dem Handwerk und dem produ- zierenden Gewerbe kämen hinzu, so die Studie, wenn es entsprechende fachliche Unterstützung gäbe. – Die gibt es und sie ist auch dringend nötig. Viele Köche – machen das Kochen zäh Das Anheuern von Mitarbeitern aus dem Nicht-EU-Aus- land ist in der Tat ein komplexes Unterfangen mit einer unglaublichen Zahl an Mitspielern. Eberhard Liebherr, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein, führte beim Neu- jahrsempfang einige Zahlen an: In Deutschland seien mehr als 1.000 Behörden für die inhaltliche Überprüfung ausländischer Abschlüsse zuständig, allein in seinem Kammerbezirk gebe es elf Ausländerbehörden. Eine Erfahrung, die Gudrun Gempp, Unternehmerin aus Efringen-Kirchen und Mitglied in der Vollversammlung der IHK Hochrhein-Bodensee, nur bestätigen kann. Für die Fachkräfteallianz Südwest hat sie das aktuell gel- tende Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 auf- gearbeitet und auf zwölf Seiten in eine verständliche, grafische Form übersetzt, quasi einen Einwanderungs- spickzettel für Betriebe aus der Region (Adresse siehe Infokasten): „Damit können sich Unternehmen leichter orientieren, an welcher Stelle im Einwanderungsprozess sie sich gerade befinden und welche Schritte als nächste einzuleiten sind“, erklärt Gempp. Ihre Gespräche mit Fir- men hätten gezeigt, dass der größte Frust dadurch ent- steht, dass keiner überblickt, wie das Procedere genau abläuft, welche Informationen wann von wem benötigt werden, wie lange es dauert und was es letztlich kostet. Ihre viel beachtete Infografik versucht, den Dschungel zu lichten, und liefert die passenden Kontaktpersonen gleich mit. Milot Hotnjani, Dachser SE, Gewerbepark Breisgau, nahe Eschbach Dienstleister helfen beim Procedere Angefangen bei Auszubildenen über Stap- lerfahrer bis zu kaufmännischen Mitarbeitern – „Wir suchen für alle Bereiche auch internati- onal, rund um den Globus“, stellt Milot Hotnjani, Ausbildungsleiter bei dem Logistikdienstleister Dachser SE, fest.Wie viele Firmen aus der Branche findet auch Dachser im Lande längst nicht mehr genug Kandidaten. „Bei ausländischen Bewer- bern können wir dagegen mit den beruflichen Bildungsmöglichkeiten hierzulande durchaus punkten. Für sie ist Deutschland sehr attraktiv“, erklärt Hotnjani. Das Familienunternehmen stellt zwar nicht in rauen Mengen aus dem Ausland ein, dafür sehr regelmäßig – und bedient sich vom Recruiting übers Onboarding bis zu den Integrationsangeboten in der Regel verschiedener Dienst- leister, um den Aufwand für das Procedere gut stemmen zu können. Manche Länder seien hilfs- bereit, andere unkooperativ und intransparent. Das mache es schwierig für ein Unternehmen, den Prozess zu begleiten und einzuschätzen, wie weit man eigentlich sei. „Ist die neue Mitarbei- terin oder der neue Mitarbeiter schließlich da, ist unsere Einarbeitung generell für alle eng und in- tensiv, aber bei den Kollegen aus dem Ausland ist es hilfreich, ein umfangreicheres Onboarding zuzuschalten, das auch Sprache, Kultur und unse- re Gewohnheiten berücksichtigt, damit die Leute sich hier wohlfühlen können.“ Mit gutem Erfolg, wie Hotnjani feststellt. „Meine Wahrnehmung ist, dass die Leute dankbar sind für die Chance und sehr viele von ihnen gerne bleiben.“ Vom neuen Gesetz erhofft sich der Ausbildungsleiter vor allem beschleunigte Prozesse und weniger Bürokratie. Und, dass ein potenziellerArbeitgeber mehr Gewissheit bekommt, ob und wann die Ein- wanderung klappt. „Wenn es über Monate nicht vorangeht, ist das schon frustrierend für beide Seiten.Aber ich nehme dazu in der Politik langsam einen Bewusstseinswandel wahr.“ uh

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