Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar'23 -Südlicher Oberrhein

7 1 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten uffm Land“. Er berät Organisationen zu den Schwer- punkten Digitale Transformation, Bildung und Neue Arbeit und stellt fest: „Der Begriff ‚Fehler‘ ist in unseren Kulturkreisen noch immer negativ behaftet. Fehler wer- den nur ungern zugegeben, stattdessen werden Sün- denböcke gesucht. Vorwürfe werden ausgesprochen oder bestimmte Kolleginnen oder Kollegen kontrolliert und ausgegrenzt.“ Dabei sollten Unternehmen dankbar sein, wenn ihre Mitarbeiter auch mal danebenliegen, meint der IHK- zertifizierte New Work Manager. „Das klingt zunächst verrückt, doch Fehler, die in einer konstruktiven Feh- lerkultur begangen werden, können ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen sein.“ Sie böten Chan- cen zur Verbesserung und trügen zur Innovationsfähig- keit einer Organisation bei. Aus ihnen ziehe man die größten Erkenntnisse und schaffe somit die Basis für zielführende und erfolgreiche Veränderungen. Emmanuel Beule, Referent Digitale Unternehmensent- wicklung Innovation und Umwelt bei der IHK Südlicher Oberrhein, geht sogar noch einen Schritt weiter. „Wir erleben aktuell parallel viele verschiedene Krisen. Bei Klimawandel, zusammenbrechenden Lieferketten, Energieverteuerung, Fachkräftemangel und einer ra- santen Digitalisierung ist schnelle Transformations- fähigkeit überlebenswichtig für Unternehmen“, sagt Beule. Diese schnelle Adaption sei nur möglich, wenn Mitarbeiter Raum bekämen, um sich auszuprobieren. Und Ausprobieren bedeutet eben auch immer mal, Schiffbruch zu erleiden. „Ich spreche deswegen lieber von einer notwendigen Möglichkeiten- beziehungsweise einer Wissens- und Könnenkultur als von einer Fehlerkultur.“ Dazu sei notwendig, klar zu formulieren, welche Ziele erreicht werden sollen. Der Weg dorthin bleibt dann den Mitarbeitern offen. Wichtig sei, so Beule, abzustecken, in welchem Handlungsspielraum man Fehler machen dürfe: „Gerade das ist meistens nicht der Fall oder erfolgt zu schwammig und zu unpräzise. Man muss solche Vereinbarungen schriftlich festhalten. Fehlerkultur zu leben, wird gemeinhin als Softskill betrachtet, aber es sollte zum Hardskill werden“, meint Beule. Patzer können handfesten finanziellen Schaden produzieren, deswegen muss auch geklärt sein, gegen welche Art von Ausfällen und Schäden das Unternehmen versichert ist. All diese Maßnahmen die- nen dazu, dass Mitarbeiter sich trauen können, nicht nur ‚Dienst nach Vorschrift‘ zu machen, sondern in ei- nem sicheren Umfeld innovative Ideen auszuprobieren. Verhalten der Führungskräfte entscheidet Eine solche Unternehmenskultur verlangt insbesonde- re Führungskräften einiges ab. Sie müssen aushalten können, dass sie Verantwortung abgeben und akzeptie- ren, dass andere Ansätze gewählt werden, als die von ihnen präferierten. „Eine funktionierende Fehlerkultur wird von Führungskräften vorgelebt“, betont Tobias Ilg. Dies beinhalte eine Führung, die auf Augenhöhe kom- muniziert und die von Transparenz und Wertschätzung, von mehr Coaching und weniger Ansage geprägt sei. Feedback müsse konstruktiv formuliert sein und Klar- heit schaffen. „Man muss ‚im Team‘ denken, Leitplan- ken und Strukturen setzen, aber – wo es geht – auch Fehler zulassen,“ so Ilg. Moderne Führungskräfte erkennen Fehler also als Lern- und Innovationschance und motivieren ihre Be- legschaft immer wieder, Missgeschicke zu kommunizie- ren und an den Erfahrungen selbst, im Team und als Or- ganisation zu wachsen. „Ein Nebeneffekt ist übrigens, dass Mitarbeitende, die sich in einem Unternehmen mit offener Fehlerkultur befinden, zufriedener und moti- vierter sind. Ohne Vorwürfe und Ängste im beruflichen Alltag werden die Arbeitsmoral, das Selbstwertgefühl und auch die Kreativität gefördert“, sagt Ilg. Mitarbeiter bauen so eine bessere Verbindung zur Organisation auf – was in Zeiten des Fachkräftemangels sicherlich nicht zu unterschätzen ist. Emmanuel Beule betont, dass eine komplette Demo- kratisierung in der betrieblichen Entwicklung zwar kon- traproduktiv sei, aber Streit und Widerrede durchaus produktiv sind. „Streit wird oft als Fehler wahrgenom- men, aber in der Sache streiten ist konstruktiv, sofern es nicht persönlich wird“, sagt Beule. Raum schaffen, um Fehler zu analysieren „Damit eine offene Fehlerkultur Teil der Organisation wird, braucht es Angebote, um aus Fehlern die besten Erkenntnisse zu ziehen. Das sind in der Regel wieder- kehrende und moderierte Dialogformate wie Reflektionsmeetings, Reviews, Re- trospektiven oder Feedbackgespräche in vertrauensvoller Atmosphäre“, sagt Organisationsberater Tobias Ilg. Hier können Tätigkeiten evaluiert, analysiert und Malheure transparent und verständ- lich gemacht werden. Nur dann, wenn man einen Fehler auch wirklich versteht, kann man aus ihm lernen, so Ilg. Ein Betrieb, der sich seit Langem in dieser Form von Unternehmenskultur übt, ist die Streit Ser- vice & Solution GmbH, ein mittelständisches Familienunternehmen für moderne Büroaus- stattung mit Hauptsitz in Gengenbach (siehe dazu auch Seite 46). „Unsere Art zu arbeiten hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert – neue Technologien, neue Aufgaben, ein Verschmelzen von Arbeit und Privatleben. Als Traditionsunternehmen ha- ben wir diese Chance rechtzeitig erkannt und unsere Mitarbeiter als größten Erfolgsfaktor in den Mittelpunkt gerückt“, sagt Geschäftsführer Marc Fuchs. »Streit ist in Ordnung, solange er nicht persön- lich wird« Emmanuel Beule Referent Digitale Unter- nehmensentwicklung Innovation und Umwelt IHK Südlicher Oberrhein, Freiburg »Mitarbeiter in einer offenen Fehlerkultur sind zufriedener« Tobias Ilg Organisationsberater bei New Work uffm Land, Freiburg Bilder: (Seiten 6–9, oops) Adobe Stock/Gajus. Porträt: Olaf Jung/Teamwelt

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