Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Oktober'22 -Südlicher Oberrhein

7 10 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten E s bleibt alles in der Familie“ – Diese seit Jahrhun- derten erprobte Form des Generationenwechsels ist längst nicht mehr die Regel, geht man nach dem jüngst erschienenen DIHK-Nachfolgereport 2022: Nur noch etwa jeder dritte Unternehmenssenior, der an seiner Nachfolge laboriert, sieht vor, dass alles in der Familie bleibt. Das ist das Ergebnis aus bun- desweit 18.000 Beratungskontakten der IHKs zu Unternehmern und po- tenziellen Übernehmern. 17 Prozent der Alteigentümer kalkulieren mit einer Übergabe an Mitarbeiter, wäh- rend das Gros der Ratsuchenden (47 Prozent) an Externe verkaufen möch- te. Ob notgedrungen, weil schon klar ist, dass der Nachwuchs nicht nachfolgen möchte, oder aus frei- en Stücken, das erhebt die Studie nicht, in jedem Fall aber steht der Unternehmer vor der undankbaren Aufgabe, die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Denn die Rahmenbedingungen wa- ren schon mal besser: So suchen in den kommenden Jahren bundesweit rund 230.000 Unternehmer jährlich nach einem Nachfolger, schätzt die KfW-Bank. Das liegt am Pandemie-Nachholeffekt und an der Demogra- fie: Wer aktuell eine Übergabe anstrebt, ist bereits jetzt schon im Schnitt rund 66 Jahre alt. Die Zeit drängt also. Zugleich gibt es immer weniger Personen in der für eine Übergabe interessanten Altersgruppe zwischen 18 und 40 Jahren. Und: Der gut qualifizierte Nach- wuchs bekommt wegen des Fachkräftemangels auch im risikoloseren Angestelltendasein höchst spannende Jobperspektiven geboten. Angeln im Belegschaftspool Unterm Strich trifft damit steigendes Firmenangebot auf tendenziell sinkende Nachfrage. Doch zum Glück ist das nicht überall so. Maik Schirling, Referent für Unternehmensförderung bei der IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg, berichtet von zahlreichen Aktivitäten auf beiden Seiten: „Ja, wir haben eine deutlich gestie- gene Zahl von Anfragen für Übergaben, aber das Inte- resse an Übernahmen ist ebenfalls auf hohem Niveau.“ Das gilt vor allem für die Industrie. Verarbeitende Un- ternehmen im Bereich von zehn Mitarbeitern seien weiterhin begehrt, berichtet Schirling. Auch in der DIHK-Studie machen die Interessenten für Industrie- betriebe und verarbeitendes Gewerbe mit 36 Prozent die größte Gruppe aus, erst mit weitem Abstand folgen dann zu jeweils 16 Prozent die Anfragen für Handel und Hotellerie/Gastgewerbe/Tourismus. Andreas Schmidke hat so einen verarbeitenden Be- trieb übernommen. Der Zerspanungsmechaniker ist seit April Geschäftsführender Gesellschafter der Ro- metsch GmbH mit acht Mitarbeitern in Trossingen. Er hatte zuvor knapp zehn Jahre dort angestellt gearbei- tet. Der Gründer des Unternehmens, Ralf Rometsch, konnte zunächst keinen geeigneten Käufer finden – bis ihm das Potenzial Schmidkes auffiel. Natürlich habe er sich gefragt, ob er sich wirklich Vertrieb und Kun- denbetreuung zutraut, erinnert sich Schmidke. Doch nach ersten Erfahrungen war er sicher, die neuen Aufgaben bewältigen zu können. Was blieb, war die Hürde der Finanzierung: „Ich war bei mehreren Banken. Wenn es eine Finanzierung gegeben hätte, dann nur zu sehr unattraktiven Konditionen“, berichtet Andreas Schmidke. Schließlich gewährte Alteigentümer Ralf Rometsch sei- nem Nachfolger ein Verkäuferdar- lehen, weil er von den Fähigkeiten seines Mitarbeiters überzeugt ist. Damit konnte die Übergabe des Unternehmens unter Dach und Fach gebracht werden. Michael Kiener, Steuerberater und Fachberater für Unternehmens- nachfolge aus Rottweil, rechnet vermehrt mit solchen Konstrukti- onen, nicht nur, weil Existenzgründerdarlehen derzeit uninteressant seien: „Die hohe Inflation macht es den regionalen Instituten sehr schwer, Unternehmenswerte festzulegen und Konditionen zu kalkulieren.“ Kiener sieht in Übernahmen durch Mitarbeiter einen vielversprechenden Weg für Verkäufer (ein weiteres Bild: Adobe Stock, links: Sunny Studio, rechts: BOOCYS 2,8 Seniorchefs kamen 2021 in den IHK-Beratungen auf einen Nach- folgeinteressenten. Vor der Krise hatte das Verhältnis noch 1,7:1 betragen Quelle: DIHK „ DIE NACHFOLGE WIRD ZUM PROBLEM, WENN SIE ... … zu spät mit dem Nachfolgepro- zess beginnen. Zeitmangel kann Kom- promisse und schlechtere Lösungen nötig machen. Die ersten Überlegungen soll- ten gut zehn Jahre im Voraus angestellt werden. … den Verkauf schlecht vorbereiten. So produziert man unnötig Fehler – und die gehen in der Regel ins Geld oder kos- ten Zeit. … Investitionen einstellen. Wer früh- zeitig aufhört, sein Unternehmen auf der Höhe der Zeit zu halten und entsprechen- deAusgaben lieber dem Nachfolger über- lässt, schmälert seineVerkaufsaussichten und den Preis. …dieWeiterbildung der Mitarbeiter vernachlässigen. Kein Kaufinteressent sieht sich gerne einer schlecht qualifizier- ten Belegschaft gegenüber. …mit falschen Preisvorstellungen an den Markt gehen. Beim Unternehmens- verkauf ist es wie bei Eltern: Das eigene Kind ist immer das schönste und beste. Ein potenzieller Käufer bringt diese Rosa- rotbrille aber nicht mit. Gegen Irritationen auf beiden Seiten hilft eine professionelle Beratung, um den Verkaufspreis realis- tisch einzuschätzen. Externe Berater hel- fen zudem bei der steuerlich und recht- lich besten Ausgestaltung der Übergabe sowie bei zwischenmenschlichen Fragen. … die Mitarbeiter vergessen. Wer im Nachfolgeprozess nur betriebswirt- schaftliche Aspekte im Auge hat, ver- liert auf dem Weg möglicherweise die Unterstützung der Belegschaft. Es gilt, sie in den Wechsel einzubeziehen und ihre Befindlichkeiten ernst zu nehmen. Wenn wichtige Köpfe gehen, gefährdet das den Fortbestand der Firma und ihren Wert. uh

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