Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'22 -Südlicher Oberrhein

56 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2022 Praxiswissen Herr Wessels, das Lieferkettengesetz ver- pflichtet Unternehmen dazu, grundlegen- de Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu beachten. War es nicht möglich, dies auf Basis freiwilliger Verpflichtungen durchzusetzen? Erik Wessels: Tatsächlich hat die Politik hier lange auf das Prinzip der Freiwilligkeit gesetzt. Inzwischen haben sich auch viele Unterneh- men mit der Thematik auseinandergesetzt und Fortschritte erzielt. Doch die Erfahrung der letzten Jahre beweist, dass eine freiwillige Selbstverpflichtung in der Breite noch nicht die gewünschte Wirkung erzielt hat. Deshalb wurde mit dem LkSG ein verbindlicher Hand- lungsrahmen zum Schutz grundlegender Men- schenrechte in den Lieferketten beschlossen. Die globale Lage sorgt außerdem gerade da- für, dass das Thema für viele Unternehmen ohnehin eine gesteigerte Aufmerksamkeit und Umdenken erfordert: Die Covidpande- mie und die Folgen des Ukrainekrieges haben bestehende Wertschöpfungsketten erheblich gestört. Viele Unternehmen überdenken ihre Lieferbeziehungen und stehen vor umfas- senden Neustrukturierungen. Unternehmen sollten deshalb die neuen Anforderungen auch als Chance begreifen, sich nachhaltiger aufzustellen. Welche Vorgaben müssen die betroffenen Unternehmen genau erfüllen? Von den Unternehmen wird nun erwartet, dass sie angemessene Sorgfaltsprozesse in Bezug auf die Menschenrechte und bestimm- te Umweltaspekte in ihren Geschäftsablauf integrieren. Das bedeutet konkret, dass sie sich ein genaueres Bild von der Situation ih- rer Zulieferer und Geschäftspartner machen müssen, um nicht durch ihre Geschäftsakti- vitäten zu Kinderarbeit oder Sklaverei und Zwangsarbeit beizutragen. Das Gesetz ver- langt aber keine Garantie, dass es in keinem Fall zu Menschenrechtsverstößen entlang der globalen Lieferketten kommt. Die Unternehmen müssen vielmehr nachweisen, dass sie angemes- sene Sorgfaltsprozesse etabliert haben. Im Kern geht es um den Aufbau eines wirksamen Risiko- managementsystems, mit dem sich Risiken und Verletzungen von Menschenrechten erkennen und abstellen lassen. Die Grund- lage bildet eine umfassende Ri- sikoanalyse. Die Umsetzung von Sorgfaltspflichten bedeutet aber nicht nur zusätzlichen Aufwand, sondern kann auch betriebswirt- schaftlich von Nutzen sein. So können die bei der Risikoanalyse gewonnenen Infos Firmen befähi- gen, vorausschauender Entschei- dungen über Produktionsstand- orte und Investitionen zu treffen. Wer kontrolliert, ob die Vorgaben eingehalten werden und wie? Die Umsetzung wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert. Unternehmen müssen der Be- hörde einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten vorlegen. Weiterhin kann das BAFA auch risikobasierte Kontrollen bei Unternehmen durchführen. Und was passiert, wenn es Verstöße gibt? Wenn Firmen vorsätzlich oder fahrlässig be- stimmte Sorgfaltspflichten verletzen, drohen empfindliche Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro. Über- steigt ein verhängtes Bußgeld zudem einen gewissen Schwel- lenwert, können Unternehmen von öffentlichen Ausschreibun- gen ausgeschlossen werden. Welche ersten Schritte empfehlen Sie Firmen, die die Vorgaben umsetzen müssen? Ich rate Unternehmen zunächst dazu, eine gründliche Bestands- aufnahme durchzuführen und sich zu fragen: Wo stehen wir eigent- lich? In der Regel müssen sie nicht bei Null anfangen, da oft schon eine Reihe von entsprechenden Maßnahmen existiert. Diese soll- ten systematisch analysiert, an die neuen Auflagen angepasst und ergänzt werden. So lassen sich die Sorgfaltspflichten schrittweise in den Geschäftsablauf eingliedern. Im Einkauf etwa sollten in Zukunft neben den üblichen Faktoren Qualität und Preis auch gewisse Nachhaltig- Bilder: oben: 5second. Porträt: Laurin Schmid/Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Neue Gesetzgebung Lieferketten nachhaltig aufstellen Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit verhindern – unter anderem darauf zielt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Ab Januar 2023 müssen Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern dokumentieren, dass ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingehalten werden. Ab 2024 gilt das zudem für Betriebe ab 1.000 Beschäftigten. Aber auch kleinere Firmen könnten mittelbar über Kunden und Vertragspartner von den Regelungen betroffen sein. Wie Unternehmen die Vorgaben erfüllen und welche Hilfen es gibt, erklärt Erik Wessels, Leiter des „Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte“ der Bundesregierung. »Es lohnt sich also auch für KMU, proaktiv tätig zu werden« Erik Wessels Leiter des Helpdesk Wirt- schaft & Menschenrechte der Bundesregierung, Köln

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5