Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'22 -Südlicher Oberrhein

45 9 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten der Wahl ihrer Braumeister ein gutes Händ- chen beweisen. Regionalität und Kreislaufwirtschaft Als erste Brauerei Baden-Württembergs be- zieht das Unternehmen seine Braugerste ab 1991 aus kontrolliert biologischem Anbau, auch weil in der Region Gewässerschutz von großer Bedeutung ist. „Das war ein langer Weg“, sagt Honer, denn der Anbau von Brau- gerste sei eine Wissenschaft für sich. Damit sich der Mehraufwand für die Landwirte lohnt und sie Planungssicherheit haben, erhalten sie für die Braugerste aus den abgeschlossenen Anbauverträgen einen höheren Betrag als für konventionell angebautes Getreide. Regionale Produkte werden erst seit einigen Jahren wie- der verstärkt von Kunden nachgefragt, auch hier waren Honers ihrer Zeit voraus. Ein großer Teil der Braugerste wird von neun Landwirten in der direkten Nachbarschaft, der Rest aus Baden-Württemberg bezogen und in regio- nalen Mälzereien weiterverarbeitet. Lediglich der Hopfen hat eine etwas längere Anfahrt aus dem 80 Kilometer entfernten Tettnang. Bierbrauen habe durch den Craftbeer-Boom einen erheblichen Imagegewinn erfahren. „Bier ist jetzt ein hippes Getränk“, sagt Hepfer. Aktuell beschäftigt die Hirsch-Brauerei rund hundert Mitarbeiter und produziert pro Jahr im Schnitt 110.000 Hektoliter Bier, in diesem Jahr vermutlich deutlich mehr. Die Corona- zeit war schwer, aber nun sei die Nachfrage bestens: Man merke, dass die Leute wieder gesellig sein wollen und Feste feiern. Gleich- zeitig blicke er wegen der steigenden Ener- gie- und Kraftstoffpreise mit Sorgen in den Herbst, so Hepfer. Zudem ziehen die Getreidepreise an und die Lieferkettenpro- blematik zeigt sich auch in Wurmlingen: Angefangen von knappen Flaschen, Gläsern, Kisten bis hin zu den Bierde- ckeln. Der Betrieb nutzt eine CO 2 -Rückgewinnungsanlage, wodurch verhindert wird, dass jährlich etwa 230 Tonnen Gärungskoh- lensäure in die Atmosphäre entlassen wer- den. Die abgefangene Kohlensäure wird für die Limonaden und die Abfüllung der Geträn- ke verwendet. Kreislaufwirtschaft im besten Sinne. Die Biere und Fruchtschorlen gibt es ausschließlich in Mehrweggebinden, die sich mehr als 50 Mal wieder befüllen lassen. Oder im Fass. In diesem Jahr soll zum ersten Mal eine Klimabilanz erstellt werden, Ziel ist mit- telfristige Klimaneutralität. Einfach wird das nicht. Zwar bezieht die Brauerei Ökostrom und betreibt zudem eine hauseigene Photovoltaik- anlage. Aber Bierbrauen ist energieintensiv; die Kältetechnik benötigt sehr viel Strom, das Sieden verlangt hohe Temperaturen. Aktuell ist ein neues Kesselhaus geplant – mit Gas. „Ideal ist das noch nicht. Wir hoffen auf Fortschritte bei der Wasserstofftechnologie“, sagt Hepfer. Zwischen modern und traditionell Zum Brauereigelände gehört auch die 2006 eröffnete „Hirsch-Bierwelt“, die ein Museum zur Geschichte des Bieres mit einer kleinen Kreativbrauerei verbindet, in der Gästegrup- pen eigenes Bier brauen können. Einen haus- eigenen Kletterseilgarten gibt es zudem. Alle zwei Jahre veranstaltet die Brauerei das „Brau- ereihoffest“, zu dem mehrere tausend Besu- cher strömen. Dabei werden üblicherweise auch neue Produkte oder Erweiterungen der Brauerei vorgestellt. Beim Marketing geht die Hirsch-Brauerei aber auch mal ganz moderne Wege: So hat in der Unterhaltungsshow „Bau- er sucht Frau“ einer der Teilnehmer mal ein T-Shirt vom Hirschen getragen. Aber viel lieber setzen Hepfer und Honer auf das Konzept, das die Brau- erei schon durch 240 Jahre gebracht hat: Regionalität, der enge Kontakt mit den Kunden, anderen Brauern, Landwirten und anderwei- tigen Zulieferern - und ein Brauereiteam, das auch in herausfordernden Zeiten eng zusammensteht. db Eine Übersicht ausgewählter Meilensteine aus der 240-jäh- rigen Geschichte der Hirsch- Brauerei finden Sie unter www. wirtschaft-im-sued- westen.de/hirschbrauerei-honer Rechts das Braugebäude, links die Brauerei-Gaststätte

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