Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'22 - Hochrhein-Bodensee

7 Alter Hase: Sevdesk, Offenburg Wissen weitergeben Für Fabian Silberer sind die Zeiten der un- ternehmerischen Kinderschuhe und An- fangshürden selbst noch gar nicht so lange her.Vor gerade mal zehn Jahren gründete der Offenburger mit Freun- den seine „sevDESK GmbH“. Mitt- lerweile hat der Anbieter der gleich- namigen Buchhaltungssoftware aus der Cloud über 200 Mitarbeiter und CEO Silberer teilt seine Erfahrungen gerne mit dem unternehmerischen Nach- wuchs in der Ortenau. „Wir haben uns vieles mühsam erarbeiten müssen. Deshalb können wir den an- deren jetzt das Leben ein bisschen leichter machen mit unseren Erkenntnissen“, sagt Silberer. „Von einer starken Start-up-Szene profitiert schließlich die ganze Region. Ich finde es toll, wenn Gründungen nicht immer nur in Berlin oder London stattfinden. Erfindergeist hat Baden-Würt- temberg groß gemacht und wir können ihn ein Stück weit wiederbeleben durch unser Engagement.“ Deshalb steht Silberer über Gründungsinitiativen wie etwa dem Foun- dersnet, dem früheren Startup Connect, als Redner, Mentor und Berater für Start-ups zur Verfügung. „Dort kennt man meine fachlichen Stärken und matchen uns entsprechend.“ Als Mitveranstalter sponsert Sevdesk zudem die Fuckup- Nights in Lörrach. Selbst investiert ist das Unternehmen in zwei dem eigenen Geschäftsmodell nahestehende Start- ups, „happyhotel“aus Offenburg, das Preisoptimierung für Hotels anbietet, und „Flowers-Software“ aus Müllheim, das digitale Workflows und Rechnungsfreigabeprozesse entwirft. „Mit ihnen handhaben wir es so, wie unsere In- vestoren mit uns:Wir sind Sparringspartner und Sounding- board.Wir bremsen sie nur, wenn sie etwas total Fahrlässi- ges vorhaben. Ansonsten ist es ihr Baby.“ uh V or wenigen Tagen ist sie in eine neue Runde ge- gangen, die TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Fünf erfolgreiche Unternehmer nehmen einmal wöchentlich die Geschäftsideen von Existenzgründern unter die Lupe und steigen als Investoren mit einigen Hunderttausend Euro beim Nachwuchs ein – oder eben nicht. Etliche Produkte haben es so schon in den Markt geschafft. Die zwölf Staffeln haben das Thema Grün- dungsförderung in der Öffentlichkeit über die Jahre mit- geprägt. Auch wenn gelegentlich Begriffe wie Know-how und Netzwerk fallen, im Gedächtnis bleibt „Geld gegen Firmenanteile“. Dass in solch einer Beziehung aber viel mehr Potenzial für beide Seiten steckt, das zu vermitteln und für einen regen Austausch zu sorgen, haben sich Gründungsbera- ter wie Christian Müller von der IHK Südlicher Oberrhein zur Aufgabe gemacht. „Das eine oder andere etablierte Unternehmen beschäftigt sich schon gezielt mit Start- ups, auch bei den Gründungsinitiativen und Accelera- toren in der Region sind manche bereits als Mentoren oder Finanzierer unterwegs, aber in der Summe könnte die Resonanz viel größer sein“, stellt Müller fest. Was die Unternehmen abhält? Man weiß es nicht. Möglicher- weise ist es einfach die Unkenntnis über die Vorteile für alle Beteiligten, schätzt Malaika Lauk, Geschäftsführerin von Lauk Ventures und Seniorberaterin beim Start-up- Accelerator BadenCampus. Die Vorteile für den Gründernachwuchs liegen auf der Hand und reichen von Kapital über fachliches und unter- nehmerisches Wissen bis hin zu Netzwerk und Marktzu- gang. So wünschten sich zum Beispiel im DIHK-Report Unternehmensgründung 2022 zwölf beziehungsweise elf Prozent der befragten Gründer einen besseren Zugang zu Fremd- und zu Beteiligungskapital. Neben den elf Prozent, die den Kontakt zu anderen Gründern vermiss- ten, wollten sich acht Prozent auch gerne stärker mit etablierten Unternehmen vernetzen. Immerhin. Und die bundesweite Befragung der IHK-Gründungsberater in der gleichen Studie ergab, dass es den Jungunternehmen zu oft an grundsätzlichem unternehmerischen Know-how fehlt (Grafik Seite 8). Ansätze für den Wissenstransfer von alt nach jung gibt es also reichlich. Nie zu alt, um dazuzulernen Doch was können die jungen Wilden für die alten Hasen tun? Auch hier sind die Antworten sehr unterschiedlich, wie schon die Unternehmensbeispiele auf den kommen- den Seiten zeigen. Viele Etablierte suchen innovative Ideen und Technologien für ihre eigenen anstehenden Transformationsprozesse, die nächsten sind an der Er- weiterung ihrer Produkt- oder Dienstleistungspalette interessiert, etwa im digitalen Bereich. „Andere lernen über den Nachwuchs erstmals agilere Arbeitsmethoden und Kommunikationsformen kennen“, weiß IHK-Berater Christian Müller. Zudem lassen sich wichtige Infos und Einblicke fürs eigene Fachkräfterecruiting gewinnen. Wie tickt die Jugend? Wie will sie arbeiten? Solch ein Austausch ist darüberhinaus nicht nur ein Jung- brunnen für die Old Economy. Es geht dabei auch um »Die Einsicht, dass die Zu- sammenarbeit mehr Vor- als Nachteile hat, setzt sich trotz anfänglichen Holperns meist durch« Alexander Vatovac, IHK Hochrhein- Bodensee Quelle: Campana Schott, Start-up-Collaboration-Studie 2018 Projektbasierte Zusammenarbeit Alte Hasen bevorzugen die Zusammenarbeit an konkreten Projekten Geplante Kooperationsformen etablierter Unternehmen mit Start-ups 26,9% 34,4% 43,0% 69,9% Accelerator (Unterstützung in der Entwicklungsphase durch Ressourcen wie Räum- lichkeiten, Kontakte, Coaching. Ziel: Marktreife Produkte/Services) Work Shadowing (Hospitanzen von Gründern in etablierten Unternehmen) Inkubator (Unterstützung in der Entwicklungsphase durch Ressourcen wie Räumlichkeiten, Kontakte, Coaching. Ziel: Entwicklung neuer Ideen)

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