Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

15 7+8 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten SCHNITZELJAGDEN AM BODENSEE Seit November 2021 reist Christina Herr mit Junggesel- linnen zum Olymp, spielt bei Teamevents die schottischen Highland Games nach oder begibt sich an Geburtstagen auf wildeWeinsafari. „Schnitzeljagden am Bodensee“ heißt das Unternehmen der promovierten Agrarwissenschaftlerin aus Singen, die derartige Rätselwanderungen zuerst nur im Familien- und Freundeskreis veranstaltete. „Es hat viel Mut gekostet, den Job im Außendienst zu kündigen und mich sofort in Vollzeit selbstständig zu machen. Aber es hat sich gelohnt, ich habe genau meinen Platz gefunden“, sagt die 32-Jährige. Zum Start ins Unternehmerinnenleben nutzte sie die Gründungsberatung der IHK Hochrhein-Bodensee und reichte ihren Businessplan bei der Bundesagentur für Arbeit ein, um sich deren Gründungszuschuss zu sichern. Mit Er- folg. Den Rest finanzierte sie aus privaten Rücklagen. Getreu dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“ veranstaltet Christina Herr ihre mehrstündigen Touren ganzjährig und passt deren Inhalte sowohl saisonal als auch inhaltlich an die Teilnehmer an. Damit diese nicht frieren, wenn sie im Winter zum Beispiel „Rentiere retten“, hat sie auch schon mal Fußwärmer,Tee und Punsch in petto. Anders als der Name vermuten lässt, richtet sich das Ange- bot nur an Erwachsene. „Bei Familien mit Kindern ist die Al- tersspanne meist zu groß, als dass die Stationen alle abho- len würden“, begründet Christina Herr, die den Teilnehmern vermitteln möchte, „dass die Fähigkeiten jedes Einzelnen wichtig sind, um Aufgaben lösen zu können.“ Ihr Konzept: Wir-Gefühl und Teamarbeit statt Konkurrenzdenken und Zeitdruck. Und das scheint aufzugehen: „Mich erreichen ein bis drei Buchungsanfragen täglich, die Wochenenden könn- te ich aktuell zwei- bis dreifach belegen.“ Um die Nachfrage langfristig bedienen zu können, möchte die Unternehmerin zum Jahreswechsel die ersten Mitarbeiter einstellen. ks Nicole Mazurek in ihrer Eigenkreation „Towless“ Christina Herr bei ihrer „Wikinger-Tour“ TOWLESS Trotz viel Gepäcks: Irgendwie fehlte im Fitnessstudio, in der Sauna oder am Badesee stets etwas, erinnert sich Nicole Mazurek . Entweder Handtuch, Bademantel oder die Decke, auf der der damals dreijährige Sohn spielen kann. Das muss doch besser gehen? Sie googelt nach der „eierle- genden Wollmilchsau“ – ohne Erfolg. „Dann habe ich mich selbst an die Nähmaschine gesetzt“, sagt die gelernte Tex- tilkauffrau. Entstanden ist eine Art Handtuchweste, die als Bademantel funktioniert und die man auch als Liegeunterla- ge verwenden kann. Beim nächsten Saunabesuch erhält die 42-Jährige für ihr Outfit viele Komplimente. So viele, dass Mazurek zwei Jahre nach dem Nähmaschinenexperiment Anfang 2019 beschließt, ihr Werk zum Verkauf anzubieten. Die gebürtige Müllheimerin, die seit 1999 in Freiburg lebt, lässt das Schnittmuster patentieren und gründet die Marke Towless , zu Deutsch: Ohne Handtuch. Doch dann beginnen die Herausforderungen. Trotz langer Suche scheint sich kein Produzent finden zu lassen, der mit dem besonderen Schnitt und der Materialkomposition aus Frottee und Piqué zurecht- kommt. Dann ist eine teure Stofflieferung qualitativ nicht zu gebrauchen.All diese Sorgen neben dem Job als Filialleiterin im Freiburger Einzelhandel und als Mutter: „Ich war kurz da- vor aufzugeben“. Doch dann ruft Unternehmensberater und Freund Michael Habighorst an, die beiden kennen sich vom Capoeira. Er berät bislang vorwiegend produzierende mit- telständische Unternehmen, will sich nun aber auch an viel- versprechenden kleinen Unternehmen beteiligen. „Michael ist mein Problemlöser“, sagt Mazurek. Davon gab es eini- ge: Zollabwicklung, Zertifikateschwindel bei Biobaumwolle, Lieferkettenprobleme, die Sperre des Suezkanals: „Das hat schon viel Energie gekostet“. Inzwischen haben die beiden jedoch einen zuverlässigen Materiallieferanten und Pro- duzenten gefunden. Und mit Zapf einen Fulfillmentdienst- leister, der automatisiert mit dem Towless-Webshop digital kommuniziert und sich von Freiburg aus um Lagerung der Ware und Versand kümmert. Die Freiburger Agentur 5x- media.de betreut die Social-Media-Arbeit. „Unser Part ist Materialbeschaffung und die Bekanntmachung des neuen Produktes“, sagt Habighorst. Nun hofft das Duo auf einen verkaufsstarken Sommer. db

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