Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juni'22 -Südlicher Oberrhein

7 6 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten kann. Nur für kleinere Gastronomiebetriebe gibt es Ausnahmen. Sie brauchen keine eigenen Schüsseln oder Becher vorhalten, müssen aber die mitgebrachten Behältnisse der Kunden befüllen, wenn diese das wün- schen (mehr zu den Regeln ab Januar siehe Seite 8). Handlungsbedarf oft noch nicht erkannt Auch wenn es bis zum Jahreswechsel nicht mehr ganz so lang hin ist, ist die neue Mehrwegpflicht bei vielen Restaurants, Cafés und lieferdiensten in der Region noch nicht wirklich im Bewusstsein angekommen. Das lässt sich aus einer erhebung der IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg schließen, die im März ihre Gastrono- miemitglieder befragte. „Zu diesem Zeitpunkt hatten sich 59 Prozent der antwortenden Betriebe noch nicht über die Neuerungen informiert“, stellt Daniela Her- mann fest. Sie berät bei der IHK dort das Gastgewerbe und bereitet für den Herbst weitere Seminare zum the- ma vor (siehe Kasten Seite 9), ebenso wie die Kollegen von der IHK Hochrhein-Bo- densee. 17 Prozent der Gastrono- men in der Umfrage waren immerhin schon mit der Planung von Maßnahmen beschäftigt, aber erst 13 Prozent hatten die Vor- schriften bereits umgesetzt. Auch bei der IHK Südlicher Oberrhein geben sich die beratungswilligen Gastrono- men noch nicht die Klinke in die Hand, meint Wilfried Baumann, dort unter anderem für Verpackungs- und Abfallthemen zuständig. er empfiehlt Gastronomen in den kommenden Wochen und Monaten zunächst mal festzustellen, in welcher Form sie betroffen sind. Wer als klein durchgeht (Be- dingungen siehe Seite 8), muss sich vor allem um die neuen Infopflichten für die Gäste kümmern und das Personal in Sachen Befüllen und Hygiene schulen. „Wer sich ein Mehrwegsystem zulegen muss oder möch- te, sollte ein paar Stunden in die Recherche investieren, welche Optionen er hat, welche Systeme es aktuell am Markt gibt und schließlich zwei, drei Angebote einholen. Da die entscheidung für eine Variante ein paar Jahre halten sollte, lohnt sich der Aufwand“, rät Baumann. Vom Pfandglas bis zur Poollösung Ob ein Gastronom sich – wie Sattaya Narmsara mit sei- nen roten Boxen – eine ganz eigene individuelle Behäl- terflotte zulegt oder bei einem bestehenden leihsys- tem aufspringt, ist jedem selbst überlassen. Manche füllen ihre to-go-Salate in Weckgläser mit Kunststoff- deckel, andere schwören auf die „locknlock“-Serie wegen ihrer vielen verschiedenen Größen. Der Fanta- sie sind da keine Grenzen gesetzt, die setzt eher der Geldbeutel. Auch bei den „vorgefertigten“ Mehrwegsystemen hat sich in den vergangenen ein, zwei Jahren richtig viel getan, beobachtet Daniela Hermann. „Und da wird noch einiges kommen. Wir stehen erst am Anfang einer entwicklung.“ Jeder werde seine lösung finden können – „und eine Wissenschaft muss man auch nicht daraus machen. Sie werden nicht für jede Ihrer Speisen eine eigene Schüsselgröße benötigen.“ Man könne sich bei manchem auch einfach arrangieren und sich die neue Verpflichtung so etwas erleichtern. Die Funktionsweisen und Abrechnungsmodelle der ein- zelnen Systeme unterscheiden sich sehr – das erfordert ein bisschen Analyse, aber immerhin hat man so eine Auswahl. Nicht jedes Modell passt zum eigenen laden, zur Nutzungshäufigkeit, zur Kundschaft und zur Speise- karte. Das gilt es im Vorfeld zu durchdenken. So leiht man sich zum Beispiel bei einem der aktuell größten Pfandsysteme für to-go, dem Rosenheimer Anbieter Rebowl/Recup, gegen eine monatliche Sys- temgebühr die gewünsch- te Zahl an Behältern gegen Pfand aus und bekommt es quasi vom Kunden zurück, wenn dieser die Schüssel samt Speise mitnimmt. Beim Konkurrenten Vytal zahlt der Gastronom eine Gebühr pro befüllter Scha- le. Der Gast scannt seinen Behälter per Smartphone – dazu braucht es eine ent- sprechend aufgeschlossene Klientel – und bekommt erst nach zwei Wochen zehn euro Pfand abgebucht, sofern er die Schale bis dahin nicht retourniert hat. Dies sind nur zwei Beispiele der aktuell gut ein Dutzend Systeme im Angebot. Sowohl der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband als auch die IHKs und staatliche Stellen halten entsprechende Checklisten und Über- sichten für die entscheidungsfindung bereit (siehe Seite 9). Beim lieferdienst lieferando arbeitet man aktuell mit Rebowl und Vytal an Pfandlösungen, mit denen Gastronomen, Kunden und Auslieferungsfahrer glücklich werden. Am Pfand dürfte das neue Mehrweg übrigens kaum scheitern, sofern nicht exorbitant hohe Summen ge- fordert werden, schätzt Wilfried Baumann. „Die Men- schen sind das von Weinfesten und Weihnachtsmärkten doch schon gewöhnt. Das hat sich etabliert.“ Wichtig für den erfolg eines Mehrwegangebotes – egal, ob als selbstgemachte Insellösung oder im System – sei da- gegen, dass es einfach ist, sagt Heike Wagner, bei der IHK Hochrhein-Bodensee für Umweltthemen zuständig. „Nur dann kommt es beim Kunden an und wird genutzt.“ Lösung muss zum eigenen Laden passen Sattaya Narmsara hat damals einige energie investiert, um Schüsseln und Schalen auf Herz und Nieren zu prüfen. Nicht alle ließen sich gut stapeln, andere waren IHK Hochrhein-Bodensee: Heike Wagner 07531 2860-190 heike.wagner@konstanz.ihk.de IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg: Daniela Hermann 07721 922-136 hermann@vs.ihk.de IHK Südlicher Oberrhein: Wilfried Baumann 0761 3858-265 wilfried.baumann@freiburg. ihk.de Rund 280.000 Tonnen Einweg- geschirr und To-go-Verpackungen fallen bundesweit pro Jahr an – das entspricht dem Gewicht von 1.400 Blauwalen. (Quelle: Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, 2018) Sattaya Narmsara hat in seinen drei thailändischen Restaurants seit drei Jahren Mehrwegverpackun- gen im einsatz und gute erfahrungen damit gemacht.

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