Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juni'22 -Südlicher Oberrhein

59 6 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten nach oder widersetzt sich der Entscheidung, kann eine Abmahnung oder sogar verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Zudem steht es dem Unter- nehmen frei, seine Erlaubnis zu widerrufen. Wer seinen Mitarbeitern Bürohunde ermöglichen möchte, muss laut TÜV Nord verschiedene Rechts- gebiete beachten. Dazu zählen unter anderem Ar- beitsschutz, Arbeitssicherheit, Hygieneverordnung, Infektionsschutz, Tierschutz und das Schwerbehin- dertengesetz (mehr dazu auf der Seite 60). Pluspunkt als Arbeitgeber Dass die Entscheidung für einen Bürohund Haltern wie Unternehmen handfeste Vorteile bringen kann, weiß Lucas Lickert, Leiter Vorstandsstab und Eigenhandel der Sparkasse Hochschwarzwald: „Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ist uns wichtig. Wir ermög- lichen vieles und sind offen für neue Ansätze. Im Fall von Frau Bazzan konnten wir eine gute Mitarbeiterin halten und uns als attraktiver Arbeitgeber positionie- ren. Zwei essenzielle Aspekte mit Blick auf den ange- spannten Fachkräftemarkt.“ Weitere Pluspunkte gibt es bei der Arbeitszeitgestal- tung: „Da ich zwei Stunden Mittagspause mache, um mit Beppo spazieren zu gehen, kann ich die Früh- und Spätschicht gut abdecken, was andere Kollegen ent- lastet“, sagt Claudia Bazzan. „Ist Beppo mit dabei, bin ich zudem flexibler einsetzbar, wenn jemand krank ist oder wegen der Kinder zu Hause bleiben muss.“ Rücksichtsvollen Umgang sicherstellen Hundematte neben dem Schreibtisch, Fusselbürsten in allen Büros und Erste-Hilfe-Sets für allergische Not- fälle: Zum Einstand von Beppo hat Claudia Bazzan an alles gedacht. Damit sich die Kollegen durch ihn nicht gestört fühlen, nimmt sie in Zeiten des Fellwechsels zwischendurch auch mal den Staubsauger in die Hand und zieht Beppo bei schlechtem Wetter den Regenman- tel über. Im Büro soll es schließlich nicht nach nassem Hund riechen. Unternehmen, die ihr Okay für einen Bü- rohund erwägen, sollten eine solche Rücksichtnahme nicht dem Zufall oder den guten Umgangsformen des Mitarbeiters überlassen, sondern sie zur Bedingung für die Zustimmung machen. Wie wichtig ein rücksichtsvoller Umgang für alle Be- teiligten ist, weiß auch Thomas Bierer, Hundetrainer und Inhaber von Toms Hundewelt. Wer sein Büro in Riegel am Kaiserstuhl betritt, wird unter anderem von Rottweilerhündin Seker begrüßt – und muss einige Streicheleinheiten als Wegezoll bezahlen. Bierer ist überzeugt, dass der Arbeitsalltag mit Vierbeiner im Büro gut funktionieren kann. Vorausgesetzt, dieser ist sozialverträglich mit Menschen und weder all- zu leicht zu erregen und noch besonders territorial motiviert. „Wenn ein Herdenschutzhund, etwa ein Kangal mit 80 Zentimetern Schulterhöhe und einem Gewicht von 70 Kilogramm, den Arbeitsplatz des Frauchens in deren Ab- wesenheit bewacht und niemand anderen in den Raum lässt, wird es kom- pliziert“, sagt Bierer und schmunzelt wissend. So etwas muss natürlich im Vorfeld sorgfältig be- sprochen werden. Der Arbeitgeber ist schließ- lich für das Wohlergehen und die Sicherheit auch der anderen Mitarbeiter verantwortlich. Eine Frage des Handlings Damit sich ein Hund gut in die Abläufe vor Ort ein- passt, sei das richtige Management entscheidend. „Hunde ruhen 18 bis 20 Stunden am Tag und brau- chen diese Auszeit ebenso wie einen Rückzugsort“, erklärt der Hundetrainer. „Das heißt aber explizit nicht, dass sie in eine geschlossene Box gesperrt oder über mehrere Stunden hinweg mit kurzer Leine angebunden werden dürfen. Beides ist tierschutz- widrig.“ Ein weiterer zentraler Aspekt sei das Platz- angebot vor Ort, sagt er und meint damit: Erlauben Unternehmen mehrere Hunde im Büro, ist es wichtig zu bedenken, dass diese im Zweifel räumlich vonein- ander zu trennen sein müssen. Zudem rät Thomas Bierer Firmen dazu, klare Über- einkünfte mit ihren Angestellten zu treffen: „Die Halter sind dafür verantwortlich, dass ihre Tiere die Arbeitsabläufe nicht stören und sich diese trotz Terminstress, Meetings und Videokonferenzen aus- reichend oft lösen können. Dritte sollten sich nicht darum kümmern müssen, die Grundbedürfnisse der Hunde zu erfüllen.“ Türöffner mit der kalten Schnauze Feste Regeln gibt es auch in der Grünwälderstraße in der Freiburger Innenstadt. Dort betreibt Sarah Bender ihre Hundeboutique „Endless love“, ihre Rhodesien- Ridgeback-Rüden Kenai und Layos begleiten sie zwei Mal die Woche dorthin. Beide haben ihre Plätze in einem geschützten Bereich im gläsernen Büro inner- halb des Verkaufsraums. Die 42-Jährige hat die Hunde bewusst so positioniert, dass sie nicht den ganzen Laden im Blick haben: „Sie sollen nicht das Gefühl bekommen, ständig auf alles aufpassen zu müssen. Zudem mögen sie es nicht immer, von jedem gestrei- chelt zu werden. Aber das ist ok, da auch nicht alle Kunden von ihnen begrüßt werden wollen.“ Dass sich beide Hunde ins Büro zurückziehen können, erleichtere ihr auch den Spagat zwischen Kundenberatung und Hundebetreuung. Ob sie es anderen Einzelhändlern empfehlen würde, die Vierbeiner mit ins Geschäft zu nehmen? „Absolut. Einfach ausprobieren.“ 92 Prozent der Mitarbeiter in einem Unternehmen mit Bürohund gaben an, dass sich die Work-Life-Balance verbessert hat, ebenso viele sprechen von einem positiveren Arbeitsklima. Quelle: Bürohund-Index Deutschland 2020 Sarah Bender Geschäftsführende Gesellschafterin, Endless Love GmbH Hundetrainer Thomas Bierer mit den Hündinnen Serker und Elif. Bild: Ulla Rudolphi-Kaiser

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5