Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'22 -Südlicher Oberrhein
7 3 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten IHK Hochrhein- Bodensee: Alexander Graf 07622 3907-213 alexander.graf@ konstanz.ihk.de IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg: Philipp Hilsenbek 07721 922-126 hilsenbek@vs. ihk.de IHK Südlicher Oberrhein: Alwin Wagner 0761 3858-107 alwin.wagner@ freiburg.ihk.de Merkles Restaurant Verrückte Zeiten „Aufgeben war nie eine Option“, resümiert Thomas Merkle , Sternekoch und Betreiber des Gourmetrestaurants Merkles Restaurant sowie der Pfarrwirtschaft in Endingen, zwei Jahre Coronapandemie. „Vielleicht hat man sich zwischendurch gefragt:Wie lange hält man durch?“, aber letztlich hätten er und sein Team im zweiten Jahr eher noch mehr Gas gegeben. Erwischt hat ihn die Pandemie 2020 eiskalt: Gerade mal eine Woche nach dem Urlaub kam der erste Lockdown. „Das war ein voller Schlag ins Gesicht“, erinnert er sich.Was passiert mit den Mitarbei- tern? Wie kann es weitergehen? Schnell war klar, dass das Restaurant Take-away-Essen anbieten würde. Um die Kosten niedrig zu halten, schickte das Ehepaar Merkle die Mitarbeiter in Kurzarbeit und startete den Abhol-Betrieb zu zweit. An fünf Tagen mittags und abends. Zweimal am Tag frisch kochen und das Essen ausgeben. „Wir haben schnell gemerkt, das schaffen wir nicht zu zweit“, blickt Thomas Merkle zurück. Er holte alle Azubis zurück in den Betrieb. In der schwierigen Anfangszeit hatte er sie zusätzlich mit speziellen Seminaren – Fermentieren, Fische filettieren, ein Zerlegekurs bei einem Jäger – unterstützt. Zuerst gab es Kleinigkeiten auf der To-Go-Karte, doch die Anfragen wurden mehr: „Es war unglaublich, wie uns die Leute unterstützt haben. Das hat das ganze Team extrem motiviert. Egal ob Stammgäste oder nicht, die Kunden ka- men wochenlang regelmäßig, um Essen, aber auch Wein, Gin und andere Produkte mitzunehmen“, erinnert er sich. „Klar, anfangs war die Existenzangst schon da.“ In den Jahren zuvor hatte das Gastronomie-Ehepaar viel inves- tiert – etwa in den Umbau des großen Saals zur heuti- gen Pfarrwirtschaft. Daher zog Merkle gleich zu Beginn der Pandemie Steuerberater und Bank hinzu, auch auf private Reserven musste er zurückgreifen. Aber es hat sich gelohnt. 2021 konnte man den Außenbereich noch neu herrichten und auch innen farblich Hand anlegen. „Es war eine emotionale, verrückte Zeit. So negativ sich Coro- na auch auf Betrieb und Gesundheit ausgewirkt hat, so positiv war es, mehr Zeit für die Familie zu haben, und mal – ganz untypisch für Gastronomen – Silvester zu Hause zu verbringen“, ist das Fazit von Thomas Merkle. ak Bild: Andrea Keller E in heißer Ritt“, so fasst eine der Ge- sprächspartnerinnen in ihrem Testimoni- al die vergangenen zwei Jahre für sich zu- sammen. Eine Einschätzung, der sich wohl viele Unternehmer anschließen können. Die einen mussten und müssen in Lockdowns und mit komplexen 2G-3G-Regelungen ums wirtschaft- liche Überleben kämpfen, die nächsten wissen nicht, wie sie den zusätzlichen Berg an Arbeit überhaupt stemmen sollen, und wieder andere versuchen, trotz Homeoffice, Abstandsregeln im Büro, Lieferengpässen und einer steigenden Zahl von Quarantänefällen so viel Business as usual zu machen wie möglich. Viele Unternehmer sind in dieser Zeit über sich hinausgewachsen. Davon erzählen die zehn Testimonials auf den folgenden Seiten, stellvertretend für die vielen Unternehmer in der Region, die sich energisch gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen gestemmt haben. Eine Leistung, vor der Philipp Hilsen- bek, Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, den Hut zieht: „Als Inhaber ist man ja immer ge- fragt zu begeistern – seine Mitarbeiter, seine Kunden, seine Familie, sich selbst. Diesen Spi- rit über diese lange Zeit aufrechtzuerhalten, während man auf der anderen Seite von der Pandemie fremdbestimmt ist, das kostet Kraft. Und doch haben so viele nie nachgelassen in ihren Bemühungen. Das war toll zu erle- ben – und davor habe ich größten Respekt.“ Dieser Kampfgeist werde uns hoffentlich auch nach der Pandemie erhalten bleiben und durch die Herausforderungen der Zukunft tragen, wünscht sich Hilsenbek. Doch was wird darüber hinaus noch bleiben aus dieser Zeit, die den Unternehmen mehr oder weniger zwangsweise einen Alltag be- schert hat mit Homeoffice, Videokonferenzen, Führen auf Distanz und jeder Menge neuer di- gitaler Abläufe? – Corona sei, anders als etwa die Finanzkrise 2008, eine transformative Kri- se, sagte jüngst Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit, auf einer Veranstaltung der IHK Südlicher Ober- rhein. Heißt: Das Nachher wird in jedem Fall anders aussehen als das Vorher. Bezogen auf den Arbeitsmarkt, so sagt er, werde allein schon der sprunghafte Anstieg des Online- handels die Beschäftigung in den Innenstädten „ »Nähe ist zu etwas Wertvollem geworden« Alexander Graf
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