Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'22 -Südlicher Oberrhein

49 3 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten BGH-Entscheidung zu Gewerberaummieten in der Pandemie Mietanpassung möglich, aber nicht pauschal I n den Coronajahren 2020 und 2021 wurde zur Re- duzierung von Kontakten unter anderem die vor- übergehende Schließung von Geschäften, die nicht der Grundversorgung der Bevölkerung dienten, ange- ordnet. Nicht geregelt wurde dabei, was das für die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung bedeuten sollte. Dementsprechend entwickelten sich seither etliche Rechtsstreitigkeiten um diese Frage. Vertreten wurde dabei vieles – vom alleinigen Ver- wendungs- und damit alleinigen Mieterrisiko bis zur pauschal hälftigen Herabsetzung der monatlichen Miete, durch die Mieter und Vermieter den Ausfall zu gleichen Teilen tragen. Jetzt hat der Bundesgerichts- hof Klarheit geschaffen (Az. XII ZR 8/21): Durch die Pandemie und die damit verbundenen weitreichen- den Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirt- schaftlichen Lebens hat sich die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Miet- vertrag schwerwiegend geändert. Da die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser „Systemkrise“ nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt worden seien, kann dieses Risiko keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. Fifty-fifty nicht als generelle Lösung Zur Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe deshalb die Miete anzupassen ist, müssen die Interes- sen der Vertragsparteien im Einzelfall abgewogen wer- den, sagen die Richter. Der Mieter muss darlegen, wel- che konkreten Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um dadurch resultierende Verluste auszugleichen. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen, dass er sich vergeblich um mögliche Hilfe- leistungen bemüht hat. Gelingt ihm das nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Die Entscheidung belegt einmal mehr, dass kein Fall wie der andere ist. Eine Faustformel verbietet sich; jeder Sachverhalt ist aufzuarbeiten und zu bewerten. Dazu gehört auch, sich den betroffenen Mietvertrag genauer anzusehen. Denn zum einen gelten die ge- nannten Grundsätze nur für Verträge, die vor dem Aus- bruch der Pandemie geschlossen wurde. Zum anderen können sie auch durch eine vertragliche Regelungen zur Risikoverteilung abgeändert worden sein. Till Böttcher, Friedrich Graf von Westphalen & Partner Die Entscheidung belegt einmal mehr, dass kein Fall wie der andere ist Bild: Adobe Stock, Lothar Nahler BGH-Entscheidung zu Betriebsschließungsversicherung bei Corona Lockdownfolgen in der Regel nicht gedeckt A ls im Frühjahr 2020 der erste Coronalockdown weite Teile der Gastronomie zur Schließung ihrer Betrie- be zwang, wähnte sich so mancher Gastwirt in Sicher- heit, weil er über eine Betriebsschließungsversicherung verfügte. Doch die muss die Einnahmeausfälle in den allermeisten Fällen wohl nicht übernehmen, weil das Coronavirus nicht ausdrücklich in den Versicherungs- bedingungen aufgeführt ist. Das urteilte jüngst der Bun- desgerichtshof (Az. IV ZR 144/21) in dem konkreten Fall eines norddeutschen Gastronoms, der als Richtschnur auch für andere, ähnlich gelagerte Fälle gelten dürfte. Die Police des Klägers sicherte laut den Versiche- rungsbedingungen „Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz“ ab und listete 50 Krankheiten und Erreger wie etwa Salmonellen auf. Weder im Gesetz noch in der Liste waren zu dem Zeitpunkt Corona oder Covid-19 konkret genannt. Ergo greife die Versicherung nicht, entschieden die Bundes- richter. Die Argumentation der Gegenseite, die Liste im Kleingedruckten sei intransparent, ließ das Gericht nicht gelten, sie sei für einen durchschnittlichen Versiche- rungsnehmer durchaus als abschließend zu verstehen. Mittlerweile haben die Versicherungsunternehmen für neue Policen die Vertragstexte angepasst und Pande- mieereignisse ausdrücklich ausgenommen, um für die Zukunft Unklarheiten zu beseitigen. uh

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5