Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'22 -Südlicher Oberrhein

20 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3 | 2022 REGIO REPORT IHK Südlicher Oberrhein Expertengespräch zum Arbeitsmarkt der Zukunft „Wir brauchen starke, regionale Netzwerke“ D ie Herausforderungen auf dem Ar- beitsmarkt sind groß. „Im Herbst 2021 meldeten bereits 60 Prozent unserer Unternehmen am südlichen Ober- rhein, dass sie offene Stellen nicht besetzen können. Aufgrund des Fachkräftemangels können mögliche Umsätze und Geschäfte an vielen Stellen nicht mehr getätigt wer- den“, skizzierte Eberhard Liebherr, Präsi- dent der IHK Südlicher Oberrhein bei seiner Begrüßung die Lage in der Region. „Gerade jetzt ist es daher wichtig für uns, an all den Stellschrauben zu drehen, die einen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels leisten können“, betonte Liebherr beim Ar- beitsmarktgespräch der IHK in der Sensor Intelligence Academy von Sick in Waldkirch- Buchholz. Corona verändert den Arbeitsmarkt dauerhaft Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit, erläuterte in sei- nem Vortrag zunächst die bundesweite Lage: „Deutschlandweit herrscht am Arbeitsmarkt eine Krise, die durch Corona weiter verstärkt wurde. An der Spitze der Epidemie im April 2020 befanden sich rund sechs Millionen Beschäftigte in Deutschland in Kurzarbeit.“ Das besondere bei Corona sei, dass es sich um eine transformative Krise handelt. Das heißt, dass der Arbeitsmarkt nicht in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren werde, wie es beispielsweise bei der Wirtschaftskri- se 2008 der Fall war, sondern sich substan- ziell verändern werde, erklärte Terzenbach. Während es vor der Krise etwa zehn Prozent Onlinegeschäft im Einzelhandel gab, ist die- ser Wert auf 30 Prozent gestiegen und wird auch nach der Krise nicht wieder sinken. „Die Krise wird dauerhafte Auswirkungen auf den stationären Handel in den Innenstädten, aber auch in anderen Bereichen des Arbeits- markts haben“, sagt Terzenbach. Für das Ausbildungsjahr 2020/2021 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit das 14. Jahr in Folge mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als unvermittelte Bewerber. Terzenbach: „Auf 63.200 freie Ausbildungsplätze kamen nur 24.600 suchende Bewerber.“ Soziale und wirtschaftliche Standards auf dem Spiel Drei Megatrends bestimmen derzeit die Entwicklung am Arbeitsmarkt: die Demo- grafie, die Zuwanderung und die digitale Transformation. Die Bevölkerungszahlen in Deutschland nehmen langfristig ab, die Be- völkerung wird älter. Der demografische Wandel wird gravie- rende Auswirkungen auf Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und die sozialen Siche- rungssysteme ha- ben. „Kernfrage der nächsten fünf bis zehn Jahre wird es sein, wie wir unsere sozialen und wirt- schaftlichen Stan- dards halten können“, unterstrich der Ex- perte. Die Zuwande- rung spielt dabei eine entscheidende Rolle. „Wir sind auf Migrati- on angewiesen. Ohne Zuwanderer wären die Engpässe am deut- schen Arbeitsmarkt viel größer. Sogar bei einer Zuwanderung von 100.000 Personen bis 2035 würde das Erwerbspersonenpo- tenzial auf minus sechs Prozent sinken, das würde also nicht reichen, um unseren Arbeitskräftebedarf zu decken“, rechnete Terzenbach vor. Durch die digitale und ökologische Trans- formation können künftig komplexere Tätig- keiten, beispielsweise in Fertigungs- oder Helferberufen automatisiert werden. „Be- fürchtungen vor massivem Beschäftigungs- abbau sind an dieser Stelle jedoch unbe- gründet, vielmehr werden sich Inhalte der Berufe permanent wandeln, sodass wir mehr in Bildung und lebenslanges Lernen investie- ren müssen“, weiß Terzenbach. Bilder: Olga Heiland Der Fachkräftemangel ist bereits heute eine zentrale Herausforderung für Un- ternehmen am südlichen Oberrhein: Schwierigkeiten bei der Neubesetzung von Stellen ziehen sich durch alle Branchen. Welche Megatrends es am Arbeitsmarkt gibt und welche Wege zur Fachkräftesicherung führen könnten, diskutierten Unter- nehmen bei einem Arbeitsmarktgespräch der IHK Südlicher Oberrhein mit Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit. Von links: Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit, Eberhard Liebherr, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein und Dieter Salomon, Hauptgeschäftsführer der IHK.

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