Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

44 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3 | 2022 THemen & TrendS Herr Weltz, könnten Sie die Undercover-Boss- Aktion noch mal kurz erklären, für alle, die sie nicht mitbekommen haben? André Weltz: Gerne. Im August letzten Jahres wurden wir von rTL angesprochen, ob wir uns eine Teilnah- me bei ihrem Format „Undercover Boss“ vorstellen könnten. nach unserer Zusage wurde ein drehbuch entwickelt, von Oktober bis mitte november haben wir dann an 14 Tagen gedreht. dafür wurde ich mit Brille, falschen Zähnen und blondierten Haaren in den Berliner Praktikanten Stefan verwandelt, der, so die offizielle Version unseren mitarbeitern gegenüber, für ein anderes rTL-Format bei seinen Praktika dokumen- tarisch begleitet und begutachtet wird. Auf diese Weise habe ich inkognito verschiedene Be- reiche in unserem Unternehmen durchlaufen. Ich habe zum Beispiel Weinfässer gereinigt, bei unseren Winzern beim Herbsten geholfen, in der Alten Wache in Freiburg gekellnert, einen Fahrer bei der Auslieferung begleitet – und genau hingehört, was die menschen, für die ich arbeite, bewegt. Warum haben Sie da mitgemacht? Es ist ja schon ein ungewöhnliches Format für einen Vorstand. Weil die Grundidee gut ist. es geht darum, tiefer ins Unternehmen einzutauchen als es mir als Vorstand sonst möglich ist. es geht um authentische Wahrhei- ten, die es mir erlauben zu beurteilen, wo wir aktuell stehen. Gibt es Verbesserungspotenzial? Was treibt die menschen um und an? Und vor allem: Kommt das, was wir uns in der Führungsetage so ausdenken, bei den mitarbeitern auch so an wie gedacht? Konnte ich die Werte, die mir wichtig sind – Fleiß, Identifikation, miteinander – jedem vermitteln? der Undercover- Boss-einsatz wirkte wie ein großer Spiegel direkt an der Basis. Und was wurde Ihnen gespiegelt? Ich habe den Badischen Winzerkeller in unruhigen Zei- ten übernommen, die Winzer haben ein bisschen das Vertrauen in uns verloren. das möchte ich zurückge- winnen und ein positives mindset bei allen Beteiligten kreieren. Im rahmen des Formats habe ich dann Win- zerinnen und Winzer getroffen, die mir – dem Prakti- kanten Stefan – reinen Wein eingeschenkt haben. man traut mir – dem André Weltz – die Veränderung wohl irgendwie zu, aber die erwartungshaltung ist hoch und ich muss abliefern, nicht sofort, aber in absehbarer Zeit. das alles hat mir noch mal vor Augen geführt, wie viele existenzen davon abhängen, dass wir beim Badi- schen Winzerkeller einen guten Job machen. die demut und der respekt vor der Aufgabe sind nochmal um ein Stück gewachsen. Wenn man es so sagen will: Unsere Aufgabe hat damit ein Gesicht bekommen. das ist eine erfahrung, die ich jedem Unternehmer wünsche. Jeder sollte also mal Undercover Boss werden? Im Idealfall wartet man nicht, bis rTL um die ecke kommt. Undercover ist auch gar nicht nötig. Haupt- sache, man geht mal mitten rein in die Praxis, legt mit Hand an. Als Vorstand hat man die Aufgabe, sein Unternehmen und seine mitarbeiter zu kennen. Warum sind die bei uns? Sind wir denen eine gute Heimat? das erfahren Sie nicht mal eben auf dem Gang in der Vorstandsetage. nehmen Sie das Heft des Handelns selbst in die Hand und gehen Sie raus! mich hat das sehr bereichert – persönlich und fürs Unternehmen. Wie ist Ihre Aktion in der Belegschaft angekommen? Ich habe den eindruck, dass die, die ich als Stefan getroffen habe, das letztlich gut fanden und dass uns nun ein gemeinsames erlebnis verbindet. Ob von den anderen jeder restlos begeistert war, kann ich nicht Seit 2021 ist André Weltz Geschäftsführer des Badischen Winzerkellers. Dank Pandemie, Klimawandel und mauen Ernten eine komplexe Aufgabe in einer komplexen Zeit. Jetzt war der 52-Jährige mit RTL für einige Tage als Undercover Boss im eigenen Hause unterwegs. Eine für hiesige Verhältnisse ungewöhnliche Ak- tion – und eine Erfahrung, die Weltz jedem Unternehmer nur wärmstens empfiehlt. André Weltz war Undercover Boss » Jeder sollte das mal machen « »Das alles hat mir noch mal vor Augen geführt, wie viele Existenzen davon abhängen, dass wir einen guten Job machen«

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