Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

7 2 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten tItel A ls Jacqueline Brett an einem Februarmorgen 2017 ihr Büro betrat, hätte es ein tag wie je- der andere werden können. Doch das wurde er nicht. Der plötzliche tod ihres ehemanns, der die Zimmerei HB Brett Holzbau in Kehl als einzelunterneh- men führte, brachte „alles auf Anfang“ in dem 1928 gegründeten Familienbetrieb. „Wir wussten nichts“, sagt die gelernte Goldschmiedin, die sich im Unternehmen ihres Mannes vornehmlich um die Buchführung küm- merte. Von ihren drei Kindern war nur der ältere Sohn Zimmerermeister, also vom Fach, aber mit 23 noch sehr jung und vom Vater kaum in die Betriebsabläufe einge- weiht. Die 26-jährige tochter studierte auf lehramt in Stuttgart; der jüngere Sohn, 20 Jahre, hatte gerade ein Maschinenbaustudium in Karlsruhe begonnen. Welche Bauvorhaben waren wie weit fortgeschritten, wo lag bereits die Statik vor, welche Materialien wurden benötigt? „Wir hatten keine Kalkulationen, nur Fragen und Zukunftsängste, so wie unsere drei Mitarbeiter“, erinnert sich Jacqueline Brett. Vor allem eine Frage stand im Raum: Verkaufen oder weitermachen? Schnelles Reagieren nötig Kleine und mittlere Unternehmen, die von einer ein- zelnen Person geführt werden, trifft es besonders hart, wenn er oder sie durch Krankheit, Unfall oder tod ausfällt. „Die alleinige Abhängigkeit eines Unter- nehmens von einer Person ist sehr risikoreich und nicht empfehlenswert“, sagt Alexander Vatovac, ver- antwortlich für das Geschäftsfeld existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK Hochrhein- Bodensee in Konstanz. „Als Chefin oder Chef sollte ich immer Vertrauenspersonen haben, die über die Prozesse im Unternehmen informiert sind und im Fall des Falles auch bevollmächtigt sind, entscheidungen zu treffen. Dies kann natürlich themenbezogen auf mehrere Schultern verteilt werden oder eben auf ein, zwei sehr enge Vertrauenspersonen.“ larissa Kratt, expertin bei der IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg in Villingen-Schwenningen für den Bereich Unternehmenssicherung, warnt vor einer langwierigen Blockade, falls der einzige Geschäftsführer zudem al- leiniger Gesellschafter ist: „Denn ohne diesen ist das Unternehmen handlungsunfähig und kann nur mithilfe eines Notgeschäftsführers, welcher gerichtlich bestellt werden muss, weiterarbeiten.“ Die Probleme fangen schon bei trivialitäten an – Wie lautet das Passwort für den PC des Chefs? – und hören dort längst nicht auf: Was war mit welchen Kunden vereinbart? Wer unterzeichnet lieferverträge? Wer hat Kontovollmacht? Welche termine müssen eingehalten werden? larissa Kratt rät, schnell zu handeln. Dabei komme es auf offene Kommunikation an. Die Mitar- beiter bräuchten einen Ansprechpartner, der fähig sei, ihnen ein Gefühl von Struktur und Sicherheit zu vermit- teln. lieferanten sollten bezüglich ausstehender Rech- nungen und möglicher Zahlpausen informiert werden. „Kunden müssen nicht zwingend sofort in Kenntnis gesetzt werden, da dies einige abschrecken könnte. Auf direkte Nachfrage sollte man aber eine plausible Antwort haben“, sagt Kratt. So lässt sich das tagesge- schäft aufrechterhalten, bis eine lösung für die Vakanz an der Spitze – und für die Zukunft des Unternehmens insgesamt – gefunden ist. Schließlich geht es bei der Betriebssicherung nicht zuletzt um die lebensgrund- lage für die Angehörigen und die Belegschaft. Alles ganz neu aufgestellt Bei der HB Brett Holzbau beschloss die Inhaberfa- milie, „die Firma umzukrempeln“. Innerhalb von zwei Monaten nahm die Umstrukturierung Gestalt an. Das einzelunternehmen wurde in eine Kommanditgesell- schaft umgewandelt, an der Jacqueline Brett mit 49 Prozent und ihre drei Kinder mit zusammen 51 Prozent beteiligt sind. „Wenn mir mal etwas zustößt, können meine Kinder sofort eine Gesellschafterversammlung einberufen und einen Geschäftsführer bestimmen“, sagt Brett. Auch die Idee für ein neues Geschäftsfeld war schon vorhanden: 2015, auf dem Höhepunkt des Zuzugs von Bürgerkriegsflüchtlingen, hatte Heiner Brett kurz über- legt, Notunterkünfte in modularer Holzbauweise zu produzieren. Die Pläne blieben damals in der Schub- lade, wurden jetzt aber hervorgeholt und weiterentwi- ckelt. Noch im Jahr 2017 stellte die Zimmerei eine neue Montagehalle mit Kran fertig. Banken, zu denen seit Jahrzehnten gute Kontakte bestanden, unterstützten die Investition; zur Finanzierung trug auch die Aus- zahlung der lebensversicherung des verstorbenen Familienvaters bei. 2018 präsentierten die Bretts auf Messen ihr Konzept für Fertighäuser in ökologischer modularer Holzbauweise. Zielgruppe sollten nicht mehr Flüchtlinge, sondern junge Familien in der Region sein. „Wir kannten kein Wochenende und keinen Urlaub, aber es hat sich gelohnt“, berichtet Brett. ende 2018 kam »Ein Testament mit Nachfolge­ regelung sollte für jeden Unter­ nehmer selbst­ verständlich sein« Brigitta Schrempp , Geschäftsführende Gesellschafterin des Softwarehauses Schrempp eDV, lahr »Oft wissen die Mitarbeiter schlichtweg nicht, was zu tun ist« Alexander Vatovac , IHK Hochrhein-Bodensee, Konstanz Bilder: Adobe Stock

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