Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November'21 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

7 11 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten W er die Schneider Schreibgeräte GmbH be- sucht, sollte sich nicht verfahren, im Win- ter im Schnee stecken bleiben oder aus anderen Gründen verspäten. Denn von unterwegs aus kann man nicht einfach mit dem Handy dort anrufen, Bescheid geben oder nach dem Weg fragen. Das mitten im Schwarzwald, zwischen St. Georgen und Schram- berg, gelegene Unternehmen befindet sich in einem Funkloch. „Man wirkt deshalb manchmal rückständig und provinziell, dabei sind wir eine international auf- gestellte Firma“, sagt Martina Schneider, die in dem Familienunternehmen unter anderem für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Geschäftsbesuch aus dem Ausland zu erklären, warum es am Standort keinen Handyempfang gebe, sei immer wieder peinlich. Der fehlende Empfang ist zudem ärgerlich, wenn es auf dem Gelände ein Problem gibt oder schlicht das Auto auf dem Parkplatz nicht anspringt und man erst ins Gebäude zum Telefonieren gehen muss. Schneider produziert am Hauptsitz in Tennenbronn sowie in Wernigerode (Harz) – dort mit gutem Handy- empfang – Kugelschreiber, Füller, Marker sowie andere Schreibgeräte und liefert diese in 130 Länder. Von den insgesamt rund 600 Beschäftigten arbeiten 430 in Tennenbronn. Damit sie auf Diensthandys auch in der Firma erreichbar sind, hat Geschäftsführer Christian Schneider dafür gesorgt, dass sie auf dem Firmenge- lände über WLAN telefonieren können (sogenanntes Wi-Fi-Calling) und ein eigenes WLAN-Netz errichten lassen. Dafür ließ er vor rund fünf Jahren vom nächsten Ort, dem rund fünf Kilometer entfernten Langenschil- tach, eine Glasfaserleitung legen und investierte einen fünfstelligen Betrag. Nur so können die Beschäftigten auch auf die 2016 eingeführte Mitarbeiter-App zu- greifen. Allerdings musste Schneider die Idee einer Mitfahr-App fallenlassen, über die Fahrgemeinschaf- ten für den Arbeitsweg gebildet werden sollten. Der fehlende Handyempfang auf den Zufahrtsstraßen und dem Parkplatz machte die Idee obsolet. Auch mit Blick auf die Produktion ist der Ausbau des Mobilfunknetzes „zwingend notwendig“, wie Martina Schneider betont. „Momentan haben wir, was unsere Stifteproduktion angeht, noch keine großen Einschränkungen, jedoch rechnen wir fest damit, dass in Zukunft die Produkti- onsmaschinen immer mehr miteinander kommunizie- ren werden.“ M it dem Problem des schlechten Handyemp- fangs ist die Firma Schneider Schreibgeräte nicht allein. Im Regierungsbezirk Freiburg sind insgesamt mehr als 11.400 Gebäude nicht mit dem heutigen Mobilfunkstandard LTE (siehe Kasten rechts) versorgt. Darunter sind rund 350 Firmen-, knapp 3.300 Misch- und circa 7.800 Wohngebäude. Hinzu kommen Verkehrswege in den betroffenen Gebieten. Vor allem in ländlichen Gegenden im Schwarzwald sowie entlang der Schweizer Grenze finden sich viele Funklöcher (siehe Karte linke Seite). Dies ist ein Ergebnis der Kurzstudie „Mobilfunkversorgung im Regierungsbezirk Freiburg“ , die das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Grafik: WIK-Consult Kommunikationsdienste ( WIK-Consult GmbH ) in Bad Honnef für die IHKs Hochrhein-Bodensee, Schwarz- wald-Baar-Heuberg und Südlicher Oberrhein erstellt und dafür unter anderem Daten der Mobilfunknetzbe- treiber ausgewertet hat. Anfang Oktober präsentier- ten die Akteure die Ergebnisse der Studie sowie eine „ Handreichung 5G “ für Unternehmen. Die drei IHKs, die zusammen 100.000 mittelständische Betriebe vertreten, fordern Politik und Mobilfunknetz- betreiber auf, für eine flächendeckende und leistungs- fähige Mobilfunkabdeckung zu sorgen. Zuerst müssten Gewerbegebiete und Verkehrswege ans Mobilfunknetz angebunden werden. „Je besser die Unternehmen mit Mobilfunk versorgt sind, umso wettbewerbsfähiger sind sie“, sagt Birgit Hakenjos, Präsidentin der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Die digitale Infrastruktur sei die neue Eisenbahn. „Funklöcher behindern die Arbeit von Unternehmen und reduzieren ihre Investi- tionsbereitschaft.“ Bernd Sörries, Direktor der WIK-Consult GmbH, weist darauf hin, dass Bürger und Unternehmen heute dop- »Man wirkt manchmal rückständig und provinziell« Martina Schneider Schneider Schreibgeräte GmbH, Tennenbronn DEFINITIONEN GSM (Global System for Mobile Communica- tion) wurde Anfang der 1990er-Jahre als Mo- bilfunkstandard der zweiten Generation ( 2G ) eingeführt. Er löste den analogen Mobilfunk ( 1G ) ab und markierte den Start der digitalen Mobilfunktechnik. GSM gibt es nach wie vor, er taugt aber nur zum Telefonieren und SMS- Versand, kaum zum Datenaustausch. UMTS oder 3G war der Mobilfunkstandard der dritten Generation, der diesen Septem- ber überwiegend abgeschaltet wurde. Eigene UMTS-Netze waren dafür aufgebaut und neue Handys, die GSM und UMTS nutzen konnten, gebaut worden. LTE steht für Long Term Evolution beziehungs- weise 3.9G und bezeichnet den Mobilfunk- standard der dritten Generation. Es ist auch als 4G -Netz bekannt und wurde in Deutschland ab 2010 eingeführt. Mit LTE wurde zudem ein welt- weiter Standard eingeführt. Die Mobilfunkanbie- ter nutzen für LTE das UHF-Frequenzband. Vor allem ländliche Gebiete können über LTE mit Mobilfunk versorgt werden. Der Mobilfunkstandard 5G baut auf dem be- stehenden Standard LTE auf. Schnellere Über- tragungsraten sind möglich. Die Zahl der Funk- zellen soll dafür in Ballungsgebieten erhöht werden. Für den ländlichen Raum gibt es derzeit keine einheitliche Ausbaustrategie. mae »Funklöcher behindern die Arbeit von Unternehmen« Birgit Hakenjos Hakos Präzisionswerk- zeuge Hakenjos GmbH, Villingen-Schwenningen, Präsidentin der IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg

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