Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November'21 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

37 11 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Etuis- und Etalagen-Fabriken“. Etalagen sind die über- zogenen Büsten und Ständer etwa zur Präsentation von Schmuck. Aus Paris hatte der junge Firmengründer das Know-how für die damals innovative Überzugstechnik für Holz, Pappe und andere Materialien mitgebracht. Fertigte man anfangs vornehmlich Kartonagen für Zi- garren, Schokoladen und Arzneimittel, fokussierte sich das Unternehmen nach wenigen Jahren auf Juweliere. Diese verzichteten über Jahrzehnte hinweg gerne auf die oft rein funktionalen und eher lieblosen Behältnisse der Schmuck- und Uhrenhersteller und bestellten wer- tigere Präsentationslösungen und Etuis bei Dahlinger. Diese Fokussierung trug das Unternehmen bis weit ins aktuelle Jahrhundert, durch Weltwirtschaftskrise und zwei Weltkriege, bevor ab den 1970er/1980er-Jahren zwei mächtige Entwicklungen einsetzten, die schließlich ab der Jahrtausendwende eine substanzielle Neuaus- richtung des Unternehmens nötig machten: die Glo- balisierung und das zunehmende Markenbewusstsein. „Zunächst haben uns Wettbewerber aus Thailand mit günstigen Verpackungen Konkurrenz gemacht“, erin- nert sich Bernd Dahlinger, der selbst erst 1989 von Bosch in die Geschäftsführung des Familienunterneh- mens wechselte und es nun in fünfter Generation lei- tet. „Und nur wenige Jahre später, nachdem der Boom der Wiedervereinigungsjahre abgeebbt war, stieg China zur Werkbank der Welt auf.“ Trotz Investitionen, um den Automatisierungsgrad zu erhöhen, sah sich die Geschäftsführung gezwungen, die Produktion in Lahr 2002 einzustellen und nach Asien zu verlagern. Den wenig später einsetzenden Trend zu Markenpro- dukten nutzte Dahlinger, um den abnehmenden Bedarf aus dem Facheinzelhandel zu kompensieren und neue Zielgruppen für sich zu entwickeln. Denn die Herstel- ler von Luxusartikeln entdeckten plötzlich die Bedeu- tung der Umhüllung für das Image ihrer Produkte. „Die Nachfrage nach Verpackung wanderte vom Handel zur Industrie“, erklärt Bernd Dahlinger. „Wir haben etwas gebraucht, um uns in deren Welt einzudenken, aber letztlich haben wir uns den Markt gut erschlossen.“ Heute beliefert das Unternehmen als Global Player in beiden Geschäftszweigen rund 6.000 Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte sowie etwa 500 Großkunden aus Industrie und Handel in 90 Ländern, führt 4.300 Artikel und lässt 13 Millionen Verpackungen pro Jahr fertigen. Im Geschäftsjahr 2018/2019, vor der Pandemie, lag der Umsatz bei etwa 29 Millionen Euro, 20 Millionen davon gehen auf das Konto der Hersteller und großen Handelskunden. Ausgerechnet dieser Teil gab während der Pandemie um gut 20 Prozent nach, während sich der Facheinzelhandel recht resistent zeigte. „Für das Geschäftsjahr 2021/22 sind wir insgesamt aber wieder auf Vor-Corona-Niveau“, stellt der Firmenchef fest. Dahlinger beschäftigt in Lahr 70 Mitarbeiter – darun- ter ein internationales Vertriebsteam, Produktmanager, Designer und Produktentwickler – sowie rund 1.100 weitere Mitarbeiter in eigenen und angeschlossenen Partnerbetrieben weltweit. Ein Tochterunternehmen in Guangzhou fungiert als Qualitätssichererer und technische Assistenz für die asiatischen Produktions- partner. In Hongkong koordiniert ein eigenes Team den Vertrieb, unter anderem für das stetig zunehmende Geschäft in Asien und dem Nahen Osten. „Immer mehr europäische Kunden lassen die Verpackung nicht erst aus China herschippern, um die Flasche oder die Uhr hineinzulegen und alles dann wieder nach Asien in den Verkauf zu liefern“, beobachtet Dahlinger. Für ihn auch ein Ausweis des zunehmenden Nach- haltigkeitsbewusstseins. „Für uns schon immer ein wichtiges Thema“, sagt er. „Aber inzwischen wird es auch von Kundenseite immer öfter an uns herange- tragen.“ Für Dahlinger ist es ein komplexes Thema, das von den Materialien über die Logistik bis zu den Standards bei den Produktionspartnern gedacht wer- den muss. In einem Pilotprojekt mit einem Schweizer Uhrenhersteller setzt man bereits auf Verpackungen aus recycelten PET-Flaschen. „Von normalem Gewebe kaum zu unterscheiden.“ Spannend sei auch Kunstle- der aus Apfelschalen oder Kakteen. „In dem Bereich tut sich gerade unglaublich viel. Da sind wir gerne mit dabei“, sagt der 63-Jährige. uh Eine Übersicht der Meilensteine in der 150-jährigen Firmenge- schichte finden Sie hier: www.wirtschaft-im- suedwesten.de/ unternehmen/dahlinger Die beiden Geschäftsführer Bernd Dahlinger (r.) und Valerio d‘Adamo. Unten: Die Etuiproduktion um 1965. »Nachhaltigkeit hat bei uns extrem viele Facetten«

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