Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August '21 - Hochrhein-Bodensee
51 7+8 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten RECHT PRAXISWISSEN Urheberrechtsreform Mehr Schutz für Urheber, Risiken für Nutzer S eit vielen Jahren wird die Notwendigkeit einer Reform des Urheberrechts zur Anpassung an die zunehmende Digitalisierung diskutiert. Wegen der am 7. Juni dieses Jahres abgelaufenen Umsetzungsfrist europäischer Vorgaben ist jetzt Bewegung in die Sache gekommen. Der Bundestag hat mit Billigung des Bun- desrates eine umfassende Novelle beschlossen, mit der das bestehende Urheberrechtsgesetz (UrhG) sowie das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) geändert und das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) verabschiedet wurde. Die Änderungen gel- ten seit dem 7. Juni (UrhG und VGG) beziehungsweise treten zum 1. August dieses Jahres in Kraft (UrhDaG). Das neue UrhDaG regelt die urheberrechtliche Ver- antwortlichkeit sogenannter Diensteanbieter wie zum Beispiel Youtube oder Facebook. Sie sind künftig ver- pflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unterneh- men, um Lizenzen für die Inhalte auf ihren Plattformen zu erwerben. Liegt eine solche Lizenz nicht vor, sind die Plattformbetreiber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, die unerlaubte öffentliche Wiedergabe eines Werkes von Beginn an zu sperren beziehungs- weise nachträglich zu beenden. Hierzu ist der Einsatz sogenannter Uploadfilter möglich, also einer Software, die die Rechte an den Inhalten beim Hochladen au- tomatisiert prüfen kann. Wichtig ist jedoch, dass die erweiterten Pflichten der Plattformbetreiber die Unter- nehmen, die Inhalte verbreiten, nicht aus ihrer eigenen Haftung befreien. Zum Schutz der Meinungs- und Kommunikationsfrei- heit im Internet wurden im UrhDaG bestimmte Grenzen definiert, innerhalb derer der Diensteanbieter grund- sätzlich von der Zulässigkeit der Plattforminhalte aus- gehen darf, etwa bei Nutzungen bis zu 15 Sekunden einer Tonspur oder Nutzungen bis zu 125 Kilobyte je Lichtbild. In diesen Fällen scheidet bei einer Wiederga- be die urheberrechtliche Verantwortlichkeit des Dien- steanbieters zunächst aus. Erst nach einer Beschwerde durch den Urheber kann sich dies ändern. Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke zum Zwe- cke von Karikatur, Parodie et cetera werden durch eine neu eingefügte Vorschrift nun ausdrücklich erlaubt. Diese Anpassung war aufgrund der Rechtsprechung des EuGHs zur Nutzung von Audiofragmenten erforderlich. Auch die Nutzung von Vervielfältigungen visueller Werke wie etwa Gemälden, deren urheberrechtliche Schutzdauer abge- laufen ist, ist künftig zulässig. Die umfassende Reform greift die Anforderungen des digitalen Zeitalters auf. Die Auswirkungen in der Praxis bleiben abzuwarten. Insgesamt ist jedoch davon auszu- gehen, dass urheberrechtliche Verstöße durch den Ein- satz automatisierter Uploadfilterung leichter entdeckt und damit konsequenter verfolgt werden. Da die verstärkte Inanspruchnahme der Diensteanbieter allerdings nicht die Verantwortlichkeit der einstellenden Nutzer entfallen lässt, sollten die Rechte an Inhalten weiterhin vor der Nutzung geklärt werden. Ilva Schiessel/Lukas Kalkbrenner, Friedrich Graf von Westphalen & Partner Die erweiterten Pflichten der Plattformbe- treiber befreien Unternehmen, die Inhalte verbreiten, nicht aus ihrer eigenen Haftung Bild: Marta Sher - Adobe Stock
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