Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'21 -Südlicher Oberrhein
52 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 4 | 2021 PraxISWISSen reCHT Was ein notarielles Nachlasszeugnis enthalten muss Der Weg zum Pflichtteil W ird ein abkömmling, ehegatte oder elternteil durch letztwillige Verfügung des erblassers von der erbfolge ausgeschlossen, hat er gegenüber dem erben grundsätzlich einen gesetzlichen Pflicht- teilsanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen erbteils. Da der nachlass mit allen rechten und Pflich- ten allein auf den erben übergeht, kann der Pflicht- teilsberechtigte, um die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu erlangen, die nötigen Informationen nur über eine auskunft des erben über die zum nachlass gehörenden aktiva und Passiva erlangen. Diese steht ihm gesetzlich zu. er kann vom erben sogar die erstellung eines notariel- len nachlassverzeichnisses verlangen. es bietet eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und die rich- tigkeit als das private Verzeichnis des erben. Dabei muss der notar – gemäß der inzwischen gefestigten rechtsprechung – den Bestand des nachlasses selbst und eigenständig ermitteln. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat sich unlängst (Urteil vom 29. Oktober 2020, 6 U 34/20) dezidiert mit den Pflichten des notars bei der ermittlung des nach- lasses auseinandergesetzt: Der notar hat zunächst von den angaben des auskunftspflichtigen erben auszuge- hen. es genügt aber nicht, diese ungeprüft zu überneh- men oder nur eine Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Vielmehr muss der notar eigenständige recherchen anstellen. Bewegliche Vermögensgegenstände (Kunst, Schmuck, Wohnungseinrichtung et cetera) sowie Immobilien hat er zu besichtigen und so zu inventarisieren, dass durch ihre Beschreibung eine Wertermittlung ermöglicht wird. er hat die in Frage kommenden Banken anzu- schreiben und vorhandene Bankguthaben sowie Wert- papiere festzuhalten. nachvollziehbare Schenkungen des erblassers muss er zumindest für die letzten zehn Jahre vor dem erbfall nach Datum und Betrag ermit- teln; die angabe eines Gesamtbetrages für einen Zeit- raum „von … bis“ genügt nicht. er muss auch eventuell vorhandene Forderungen des nachlasses gegenüber Versicherungen ermitteln und wegen möglicher Steu- erschulden oder -erstattungen die für den erblasser zu- ständigen Finanzämter konsultieren. Schließlich muss der notar bestätigen, dass das nachlassverzeichnis von ihm persönlich aufgenommen wurde und er folglich für dessen Inhalt verantwortlich ist. Fazit: ein Pflichtteilsberechtigter sollte zunächst vom erben ein nachlassverzeichnis anfordern. Bestehen Zweifel an der richtigkeit seiner angaben, kann der Pflichtteilsberechtigte neben dieser privaten aufstel- lung des erben die Vorlage eines notariellen nachlass- verzeichnisses beanspruchen. er kann auch verlangen, dass er und gegebenenfalls sein anwalt beim erstellen des notariellen Verzeich- nisses hinzugezogen werden. Csaba Láng, Sozietät Jehle, Láng, Meier-Rudolph, Köberle Das Nachlass- zeugnis durch einen Notar gibt beim Streit um den Pflicht- teil mehr Sicherheit Bild: oxie99 - adobe Stock
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