Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'21 -Südlicher Oberrhein

14 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 4 | 2021 Leute Kopf deS MonatS Unprätentiös und natürlich Manuel Ulrich | Küchenchef Ösch Noir DONAUESCHINGEN. Starkoch? Junger Wilder? Manuel ulrich passt in keine Klischees. So dezent und zurückhaltend, wie sich die holzverkleideten Gebäude des noblen Hotelkomplexes in die sanften Hügel des donaueschinger Golfplatzes ducken, so natürlich und unprätentiös wirkt der Küchenchef des Ösch noir. das Gourmetrestaurant, das der Öschberghof im Zuge sei- ner 60 Millionen euro teuren Renovierung und erweite- rung gebaut und erst vor zwei Jahren eröffnet hat, ist in dieser kurzen Zeit schon in die kleine Riege der Zwei- Sternehäuser aufgestiegen (mehr zum aktuellen Guide Michelin ab Seite 46). und ulrich ist der Mittelpunkt dieser schnellen erfolgsgeschichte, bei der allerdings seit november die pausentaste gedrückt ist. das Hotel hat seit Mitte März wieder für Geschäftsgäste geöffnet, doch das Restaurant verharrt im Lockdown, das sie- benköpfige Küchenteam in der Kurzarbeit. In Jeans und pullover sitzt ulrich an einem der ungedeckten tische des leeren Restaurants und berichtet von seinem Wer- degang und seiner Motivation. der 34-Jährige ist nur wenige Kilometer vom Ösch- berghof entfernt aufgewachsen, in Heidenhofen, einem donaueschinger ortsteil mit rund 250 einwohnern. Hier wohnt er auch jetzt wieder zusammen mit sei- ner Lebensgefährtin, die in der Gästebetreuung des Öschberghofs arbeitet. Woher er sein talent zum Ko- chen hat, weiß ulrich nicht – „meine familie hat gar nichts mit Gastronomie am Hut“. die Mutter arbeitet als Bankkauffrau, der Vater ist Werkzeug- und formen- bauer. aber: daheim wurde gekocht, und der junge Manuel hat dabei immer schon gerne zugeschaut und mitgemacht. Samstags backten sein jüngerer Bruder und er regelmäßig pizza. er schaute gerne tim Mäl- zers Kochsendungen und kochte freiwillig auf Jugend- freizeiten. nach dem abitur 2006 am donaueschinger fürstenberg-Gymnasium und dem Zivildienst in einer Rehaklinik entschied er sich deshalb gegen ein Che- miestudium und für die ausbildung zum Koch. „Meine eltern waren skeptisch, aber ich war happy damit“, er- zählt ulrich. die arbeitszeiten störten ihn nicht, zumal der Öschberghof – als Mitgründer des Vereins „fair Job Hotels“ – darauf achtet, dass diese erfasst werden und wenig oder keine Überstunden anfallen. außerdem sei er nachtaktiv, sagt ulrich. die entscheidung habe er nie bereut. Kein Wunder, bei der Laufbahn. der damalige Küchendirektor des Öschberghofs peter Schmidt erkannte die Motivation und neugier von Ma- nuel ulrich. Schon während der ausbildung übertrug er ihm viel Verantwortung. und als ulrich nach einer Win- tersaison in Österreich in seinen ausbildungsbetrieb zurückkehrte, begann Schmidt, ihn in die erweiterungs- pläne einzubeziehen. „Ich hatte immer Lust, weiterzu- kommen und etwas Kreatives zu machen“, berichtet ul- rich. Schmidt sei sein kulinarischer Ziehvater gewesen. ein großes Vorbild, ebenso wie die Küchenchefs der Zwei- und drei-Sternehäuser, in die er zur Vorbereitung seiner neuen funktion ging. Michelinsterne waren das erklärte Ziel des Ösch noir. deshalb arbeitete ulrich ein Jahr bei Chris- toph Rüffer im Restaurant Haerlin in Hamburg und ein halbes Jahr unter dem – damals noch und jetzt wieder – drei-Sterne-Koch torsten Michel in der Schwarzwaldstube in Baiers- bronn. „Ich hätte vielleicht mehr an- gucken können, aber irgendwie hat es mich immer hier gehalten, es hat alles gepasst“, sagt Manuel ulrich. er ist ein zufriedener, positiver Mensch. Schätzt Qualität, freut sich über gute Zutaten wie einen wildgefangenen Steinbutt aus der Bretagne, aber auch über gute pasta oder ein Vesper daheim. Kulinarische Komponenten zu neuen und überra- schenden Kompositionen zusammenzustellen, ein abwechslungsreiches und stimmiges Menü daraus aufzubauen, es auszuprobieren und schließlich für die Gäste zuzubereiten – „das ist spannend“, findet ul- rich. Zusammen mit seinem Sous-Chef Julian Lechner tüftelte er Mitte März am ostermenü und hoffte, dass es diesmal – im Gegensatz zum novembermenü – zum einsatz kommt. Bis dahin kocht Manuel ulrich zu Hause Schmor- und andere Gerichte, für die er sonst nicht genügend Zeit findet. außerdem fotografiert er gern. und er hat zusammen mit einigen Kollegen aus Küche und Service – passenderweise nicht lang vor dem Lockdown – das Golfen angefangen, die platzrei- fe erlangt und ist Vereinsmitglied geworden. deshalb ist er derzeit mit Golfschläger statt Kochlöffel in den donaueschinger Hügeln zugange. kat »Ich hatte immer Lust weiterzukommen« KOPF des Monats

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