Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'21 -Südlicher Oberrhein

iHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 4 | 2021 Frau Schrempp, welches Ziel verfolgen Sie als Firmenchefin? Kontinuierliches Wachstum, also nicht schnelles, nicht langsa- mes, sondern gesetztes – so nenne ich das. Die Kunden erhalten und zufriedenstellen sowie einen guten Personalstamm und zufrie- dene Mitarbeiter. Unsere Mitarbeiter arbeiten mit dem Kopf. Wenn sie zufrieden sind, ist das Produkt auch gut. Wie kommunizieren Sie Ihre Ziele, wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter? Wir machen sehr viele Besprechungen. Aktuell alle drei Wochen eine Teams-Sitzung mit allen Mitarbeitern. In Präsenzzeiten treffen wir uns alle vier Wochen, aber ich merke, dass die Mitarbeiter mehr Ansprache brauchen, wenn die nicht im Haus sind. Wir haben einen permanenten Strategieprozess, der von einem externen Coach begleitet wird. Und wir entwi- ckeln unsere Mitarbeiter permanent weiter. Nutzen Sie Führungstechniken oder -mo- delle wie Lean Management oder Kanban? Kanban und viele andere funktionieren nicht für uns, weil wir kein Produktionsunterneh- men sind. Wir haben mal Scrum eingeführt, das auf sehr flachen Hierarchien beruht, hatten dann aber ein riesiges Aha-Erlebnis: Die Leute brauchen Führung. Ich kann die Hierarchie nicht so flach machen, dass es keine Führung gibt. Wir hatten erst wechseln- de Teamleiter, haben dann aber gemerkt: Es braucht einen festen Ansprechpartner, der ganz banale Dinge wie Urlaubsanträge regelt. Viele wollen auch gar keine Verantwortung übernehmen. Deshalb wählen unsere zehn Teams jetzt ihre Teamleiter. Beschreiben Sie Ihren Führungsstil. Offen und empathisch. Ich schaue auf die Softskills und höre auf mein Bauchgefühl. Wo parken Sie? Vorm Haus. Da steht kein Schild, aber es ist so gewachsen, dass das mein fester Parkplatz ist. Mit welchen Mitarbeitern duzen Sie sich? Mit vielen, vor allem dem alten Stamm. Die neuen weniger. Das Du ist etwas Persönliches. Ich kann aber auch Mitarbeitergespräche per Du führen und habe Mitarbeitern, die ich duze, auch schon gekündigt. Wenn man das richtig macht, bekommt man das hin. Das ist Kom- munikation. Ich selbst bin darin geschult, und wir haben auch schon mit der ganzen Firma einen Strategieprozess veranstaltet. Am Ende mussten alle die Firma malen. Das war ein sehr gutes Erlebnis, die Bilder hängen alle noch im Unternehmen. kat »Es ist ein Irrweg zu glau- ben, dass man alles selbst machen muss« Peter Modler Unternehmensberater, Coach, Autor Freiburg auf virtuelle Meetings. „Die denken: Das ist mein Film, ich bin Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller“, sagt Modler. Deshalb machen sie sich ganz andere Gedanken, überlegen wie sie zu sehen sind, arrangie- ren den Hintergrund, betreiben trockenübungen. eine Herausforderung für Führungskräfte sieht der Unter- nehmensberater darin, beide Kommunikationssysteme zu kennen, „zweisprachig“ zu sein, wie er es nennt, und „zwischen den Systemen switchen zu können“. Schließlich sei nicht die Monokultur eines Systems produktiv, sondern der Mix aus beiden. einer anderen Kompetenz kommt laut Modler gerade in Krisensituationen eine besondere Bedeutung zu. Die Flutwelle von Mails und anderen (elektronischen) informationen ist ein permanenter Angriff auf die Strate- giefähigkeit von Führungskräften. „Wenn man sich dem unkontrolliert aussetzt, verliert man den Überblick“, sagt Modler. er vergleicht die Füh- rungskraft mit einem Steuermann, der früher ein passabler Matrose und Smutje war. Weil er alles so gut kann, macht er alles. Aber wäh- rend er das Segel einholt oder die Kartoffeln pellt, steht niemand am Steuer. „es ist ein irrweg zu glauben, dass man alles selbst machen muss. Das ist virtuell ganz genau so“, betont Modler. Auf Distanz sei es zudem schwieriger, den Kontakt zu halten und vor allem, Räume für zufällige Begegnungen zu schaffen, in denen Kreativität entsteht. Wenn das nicht gelingt, wird es zum innovationsproblem, glaubt der Unternehmensberater, der sich jetzt in der Krise vor Aufträgen kaum retten kann. Vor allem einzelcoachings sind gefragt. Modler rät Führungskräften, sich zu erklären, auch wenn es um unangenehme Wahrheiten geht. „es ist nicht die Zeit für einsame entscheidungen“, sagt er. Denn die Macht ist nicht einfach so bei der Führungsperson. Das zeige ein Rollenspiel, das auf Methoden des brasilianischen theatermachers Augusto Boal basiert. Dabei gibt es, in wechselnden Rollen, Herren und Knechte, die Herren geben die knappen Anweisungen „Komm her“ oder „Geh weg“, und die Knechte müssen folgen. Dabei zeigt sich: Die Herren denken, sie hätten leichtes Spiel. Doch den Knechten bleibt erstaunlich viel einfluss. Denn die Re- geln geben zwar vor, dass sie gehorchen müssen, aber nicht wie. in jeder Gruppe gibt es also Knechte, die ganz langsam laufen, formal somit gehorchen, allerdings mit einer Widerspenstigkeit, die die Herren zur Verzweiflung bringt. Und was bedeutet das für Führungskräfte in Un- ternehmen? „Sie sollten wahrnehmen, wie abhängig sie 8 BRIGITTA SCHREMPP (65) ist geschäftsführende Gesellschafterin der Schrempp EDV GmbH in Lahr und Vizepräsi- dentin der IHK Südlicher Oberrhein. Nach dem Tod ihres Mannes Gustl Schrempp 2012 war sie zunächst alleinige Geschäftsführerin, seit 2018 teilt sie sich die Geschäftsführung mit Stefan Basler. Die gelernte Groß- und Außenhandels- kauffrau hatte nach ihrer Ausbildung bei ver- schiedenen Firmen in den Bereichen Personal, Organisation und IT gearbeitet, ehe sie 1982 voll ins eigene Unternehmen eingestiegen war. Schrempp EDV ist auf ERP-Software für den Maschinen- und Anlagenbau spezialisiert und sehr erfolgreich in dieser Nische. Das Un- ternehmen legt jährlich fünf bis zehn Prozent beim Umsatz zu, die Zahl der Mitarbeiter hat sich seit 2012 auf 85 mehr als verdoppelt.

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