Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'21 -Südlicher Oberrhein

9 2 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten zum Marketing sei überprüft worden, auch im Umfeld habe die Bade- und Kurverwaltung manches moderni- siert. „Ein klassisches Beispiel ist die Kurkapelle, die wir durch Sommerkonzerte mit jungen Musikern aus der Region ersetzt haben“, berichtet er. „Das Angebot ist vielfältiger und kostet mich nur einen Bruchteil.“ 2019 seien die Gästezahlen auch in der Therme von Bad Bel- lingen gestiegen. Umso bitterer waren und sind die coronabedingten Schließungen. „Ohne einen einmaligen Zuschuss der Gemeinde hätte ich im Februar Insolvenz anmelden müssen“, sagt Schneider. Die Landesregierung hat 15 Millionen Euro Unterstützung für die Thermal- und Mineralbäder im Land zugesagt, ausgezahlt worden sei ihm davon aber noch nichts. „Um zu retten, was zu retten ist, haben wir extreme Maßnahmen getroffen“, sagt der Kurgeschäftsführer und meint damit auch Entlassungen: Die Zahl seiner Mitarbeiter sank von 74 vor Corona auf 48 Ende des Jahres 2020. Auf Dauer könne eine Therme einer kleinen Kommu- ne finanziell nicht zur Last fallen, meint Schneider, trotzdem hofft er langfristig auf weitere Investitionen, die dann auch wieder dem Ort zugute kämen. Eine neue Quelle, die fünfte, ist schon erschlossen; sie soll die Versorgung mit Thermalwasser in den nächsten Jahrzehnten sicherstellen. Die Arbeit an einem Mas- terplan zur baulichen Erweiterung und Modernisie- rung läuft – und einen neuen Namen soll die Therme demnächst auch bekommen, kündigt Schneider an: „Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es eine gute Perspektive gibt.“ B etrieb, Erhaltung und Modernisierung von Heil- quellen und Bädern können schon in normalen Zeiten eine enorme Kraftanstrengung für klei- ne Kommunen bedeuten, die meist Gesellschafter der Bäder-GmbHs sind. „Corona bringt manche von ihnen an ihre Grenze“, sagt Fritz Link, Präsident des baden-württembergischen Heilbäderverbands und im Hauptberuf Bürgermeister des Kurorts Königsfeld im Schwarzwald. Er geht für 2020 von einem Rückgang der Gästezahlen in den Bädern um 50 Prozent aus. An- dererseits sind die Quellen nicht nur Voraussetzung für das Prädikat „Heilbad“. Sondern sie sind „gerade im ländlichen Raum ein zentraler Wirtschaftsfaktor“, so Link, das werde oft unterschätzt. Laut einer vom Verband in Auftrag gegebenen Studie des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr (DWIF) wurden – vor Corona – in den Heilbädern und Kurorten im Bundesland jährlich 3,5 Milliarden Euro Gesamtumsatz erwirtschaftet, für den sowohl Übernachtungsgäste als auch Tagesbesu- cher sorgten. Am meisten profitierte das Gastgewerbe, gefolgt von Dienstleistungsbetrieben und dem Einzel- handel. 2019 seien knapp ein Viertel aller im Bundes- land getätigten Übernachtungen auf die Heilbäder und Kurorte entfallen, so der Verband. Thermal- und Mineralbäder spielen dabei eine beson- dere Rolle: 35 von ihnen gibt es in den 56 sogenannten höher prädikatisierten Kurorten Baden-Württembergs. Die Gäste der Heilbäder kämen inzwischen nur noch zu rund 30 Prozent aus einem rein medizinisch-the- rapeutischen Anlass, bei rund 70 Prozent seien Ge- sundheit und Erholung die Motive, wobei die Anteile je nach Klinikstruktur vor Ort variieren. Auf den an- haltenden Wellnessboom hat der Verband reagiert, indem seine Tochtergesellschaft, die Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg, 2004 das Qualitätssiegel „Wellness Stars“ entwickelte. Der Imagewandel sei geschafft, Heilbäder stünden heute Markus Spettel Geschäftsführer Kur- und Bäder GmbH Bad Dürrheim Blick im Sommer ins Solemar in Bad Dürrheim. Bilder: Kur- und Bäder GmbH Bad Dürrheim

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