Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'21 - Hochrhein-Bodensee

38 Regionalwert AG arbeitet an der grünen Wende der Wirtschaft Gut essen, richtig rechnen EICHSTETTEN. Die Regionalwert AG sieht sich als Vermittlerin zwischen Konsumenten und Produzenten sowie zwischen Stadt und Land. Sie sammelt Geld bei Bürgern der Region und investiert es in bestehende oder sich gründende Biolandwirte und andere ökolo- gisch arbeitende Betriebe wie Lebensmittelhersteller, Händler oder Restaurants. So will sie eine regionale Ernährungssouveränität und damit eine Agrarwende ermöglichen. Bislang haben 850 Geldgeber, vor allem private, Aktien in Höhe von rund vier Millionen Euro ge- zeichnet. Davon wurden drei Millionen Euro in die 25 Partnerbetriebe im Regierungsbezirk Freiburg investiert und zwar in Form von Betei- ligungen, nicht Krediten. „Das ist der Hauptunterschied zwischen uns und einer Bank“, erklärt Hiß. Sein Konzept findet viel Beachtung, er wurde dafür schon häufig ausgezeichnet, zuletzt vergangenen Sommer mit dem Preis „Mut zum Han- deln“ des Hamburger Maga- zins Zeit-Wissen. „Sie sind vorbildhaft für andere“, lobte die Jury. Tatsächlich gibt es – außer der Freiburger – mittlerweile Regionalwert AGs in Hamburg, dem Rheinland, Berlin-Brandenburg und Oberfranken. 2020 wurde eine gemeinsame Gesellschaft als Dach gegründet. Jede neue Regional- wert AG muss sich als Gesellschafter in die RW Impuls GmbH mit Sitz in Bonn einkaufen. Dafür sind schon weitere am Start, beispielsweise in Oberschwaben, im Münsterland und im österreichischen Krems. Auch in Spanien und Schweden stößt die Idee auf Interesse. „Jetzt geht wieder was von Eichstetten aus“, sagt Hiß. Die Kaiser- stuhl-Gemeinde gilt als Hochburg der ökologischen Landwirtschaft. Schon in den 1950er-Jahren arbeiteten hier ein halbes Dutzend Be- triebe nach den Richtlinien des biologisch-dynamischen Landbaus. Christian Hiß Vater war einer davon. Auch den Biolandverband haben die Eichstetter Pioniere maßgeblich initiiert. Christian Hiß fühlte sich verpflichtet, den Hof weiterzuführen, haderte aber bald mit den eingangs beschriebenen Problemen des Bioanbaus. Deshalb bildete sich der Land- zum Betriebswirt weiter, gründete die Regionalwert AG und verpachtete den eigenen Betrieb – auch, um den eigenen drei Söhnen den Druck der Nachfolge zu nehmen. Die Regionalwert AG will ihren Wirkungskreis vergrößern und „ge- samtgesellschaftliche Akteure“ wie Kirchen, die öffentliche Hand oder Unternehmen ansprechen. Viele Kontakte gibt es bereits, ins- besondere zur Stadt Freiburg. Mit der führte man 2019 Gespräche über die Verpflegung öffentlicher Einrichtungen – Schulen, Kitas, Kliniken, Kantinen oder Pflegeheime – mit regionalem Bioessen. Der Bedarf ist da, es geht um mindestens 5.000 Essen täglich. Ur- sprünglich sollte die Regio-Bioküche Mitte 2022 an den Start gehen. Allerdings hat die Coronapandemie die Pla- nungen auf städtischer Seite gebremst. Bei der Regionalwert AG gingen sie indes weiter. Seit Juli gibt es ein Grundstück in Eichstetten, auf dem ein etwa 2.000 Quadratmeter großes Produktionsgebäude entstehen kann. Solange die Stadt Freiburg zögert, plant man in Eichs- tetten sehr flexibel. Die Kalkulation liegt bei drei bis fünf Millionen Euro. „Es sind noch viele Möglichkeiten offen“, sagt Dominik Seidler diplomatisch. Der Geschäftsführer der für die Hohe Kapitalgebundenheit bei geringer Renta- bilität: Das ist ein großes Problem in der ökolo- gischen Landwirtschaft. „Deshalb gibt es uns“, sagt Christian Hiß. Der gelernte Land- und Be- triebswirt hat 2006 die Regionalwert AG gegrün- det, eine Bürgeraktiengesellschaft für den Regie- rungsbezirk Freiburg. UNTERNEHMEN Christian Hiß »Das Thema wird mit Wucht auf Firmen zukommen«

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