Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar'21 - Hochrhein-Bodensee

49 1 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten THEMEN & TRENDS Digitaler Automotive-Gipfeltalk: Der Elektroantrieb stand im Mittelpunkt Plädoyer für Technologieoffenheit Der Automotive-Gipfel der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg und des WVIB, der in den vergangenen Jahren als Präsenzveranstaltung mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern organisiert worden war, fand Ende 2020 als digitale Veranstaltung mit circa 50 Teilnehmern statt. Auch dieses Mal das Ziel: Informationen über Zustand und Zukunft der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer zu geben, so Thomas Albiez, Hauptgeschäftsführer der IHK in Villingen-Schwenningen, in seiner Begrüßung. Matthias Zink Vorstand Automotive OEM Schaeffler AG Martin Koers Geschäftsführer VDA M atthias Zink, Vorstand Automotive OEM des Zulieferers Schaeffler AG, der unter anderem in Bühl und in Lahr große Werke betreibt, sprach von herausfordernden Umständen. Schaeff- ler liefert Teile für Pkw und Lkw weltweit und erzielt damit circa neun Milliarden Euro Umsatz im Jahr, die Quote für Forschung und Entwicklung liegt bei 7,5 Pro- zent. Der Absatz von Leichtfahrzeugen ist laut Zink im laufenden Jahr weltweit auf 74 Millionen Einheiten gesunken, 17,3 Prozent weniger als 2019 und fast ein Viertel weniger als 2017. Überall gibt es Überkapazi- täten. Zink rechnet jedoch damit, dass 2021 wieder 83 Millionen Fahrzeuge und 2025 circa 95 Millionen Fahrzeuge abgesetzt werden. Bei Schaeffler hat man sich mit Kapazitäts- und Beschäftigungsanpassungen beholfen. Bereits vor drei Jahren hat die Firma auf Ba- sis einer eigenen Prognose, dass bis 2030 circa 30 Prozent Elektro-, 40 Prozent Hybrid- und 30 Prozent Verbrennerfahrzeuge auf den Markt kämen, mit einer Portfolioerweiterung begonnen: Hybridelemente und Elektromotoren rückten in den Fokus. In Ungarn ist eine neue Fabrik entstanden, die eine Million Elektro- motoren im Jahr produziert, in Bühl ist eine Elektromo- torenfabrikation in Planung, E-Achsgetriebe seien ins Programm gekommen. Zink stellte fest, dass während der vergangenen zwei bis drei Monate die Automobil- hersteller „die Seite hin zu Elektro wechseln“. Zwar sei „der Elektromotor der Zukunft noch nicht erfun- den“, Schaeffler sehe sich jedoch gut aufgestellt und beginne auch Teile des Personals auf die Herstellung von Elektro- und Hybridteilen umzutrainieren. Parallel dazu befasse man sich mit Forschung und Entwicklung für den Brennstoffzellenantrieb. Martin Koers, Geschäftsführungsmitglied des Ver- bandes Deutscher Automobilindustrie (VDA), berich- tete vom Jahr 2020 als einem des Zusammentreffens einer beispiellosen Krise (Corona) mit einer beispiel- losen Transformation hin zu alternativen Antrieben, Konnektivität und Automatisierung, das auch in Deutschland von einem massiven Produktionsrück- gang gekennzeichnet sei: 2019 seien 4,7 Millionen Pkw im Inland gebaut worden, 2020 dagegen 3,5 Millionen Pkw. Bemerkenswert dabei sei, dass die Herstellung von E- und Hybridautos gegenüber 2019 extrem zugenommen habe, nämlich um 98 Prozent. Aufgrund der EU-Ziele zur CO 2 -Reduktion (gerade wieder verschärft auf 50 Prozent des Ausstoßes des Jahres 1990 bis zum Jahr 2030) schwenkten alle Au- tomobilhersteller auf den Elektroantrieb ein. Koers beklagte, dass die EU die Energiekette nicht in ihre Betrachtung und Gesetzgebung miteinbezöge. Die E-Fahrzeuge gehörten ehrlich gemacht, inklusive des CO 2 -Austoßes, der bei der Stromproduktion entstehe. Er betonte, man brauche alle Technologien, auch die neueste Dieselgeneration und die Wasserstofftech- nologie. An dem momentanen Trend zur E-Mobilität könnten nach Auffassung seines Verbandes 60 Pro- zent aller Zulieferer partizipieren, 40 Prozent weni- ger oder gar nicht. Für Deutschland sah er positive Aspekte: Das Land sei als Investor in Forschung und Entwicklung nach wie vor führend, in den Technologi- en breit aufgestellt, Industrie, Politik und Sozialpart- ner eng verzahnt sowie Zulieferer und Hersteller eng verflochten. Es fehle allerdings die Geschwindigkeit bei der Transformation. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des WVIB, meinte, was die Antriebsarten beträfe, stehe mit dem E-Auto der Gewinner für die Politik von vornherein fest, es gehe da um ein abgekartetes Spiel. Bezogen auf Süddeutschland sei das ein Stück Deindustri- alisierungspolitik der EU. Er plädierte ebenfalls für Technologieoffenheit. Einig war sich die Runde, dass die mangelhafte Lade- infrastruktur in Deutschland eine schnelle Ausbrei- tung des Elektromotors verhindere. Hier sage die Autoindustrie, die Politik müsse ihre Hausaufgabe machen. Auch das Thema Wasserstoff werde derzeit noch nicht genügend ernst genommen, werde aber mit Sicherheit kommen. Und ein Blick nach Japan: Führend in der Elektro- und Hybridtechnologie sei Toy- ota, das aber langfristig an die Brennstoffzelle glaube. Fazit: Derzeit ist viel Ideologie im Spiel, alles hängt am Speichermedium und der Versorgungsinfrastruktur für den E-Antrieb. Der Wertschöpfungskuchen für die Zulieferer werde jedoch kleiner, es wird nicht für alle reichen. upl Christoph Münzer Hauptgeschäftsführer WVIB Thomas Albiez Hauptgeschäftsführer IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg

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