Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Oktober'20 -Südlicher Oberrhein

49 10 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Themen & Trends einem der Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt er. Nach dem Shutdown seien die Geschäfte dagegen sofort wieder gelaufen als sei nichts gewesen. Viele Einzelhändler vor allem in Innenstädten, die während des Lockdowns schließen mussten, hätten dagegen erst wieder das Vertrauen ihrer Kunden aufbauen müs- sen, berichtet Frese. Fehlende Schweizer und Franzosen Ganz anders hat Karsten Pabst, Geschäftsführer der Hieber‘s Frische Center KG mit Sitz in Binzen, den Lockdown erlebt. Das Unternehmen betreibt 14 Lebensmittelmärkte zwischen Bad Krozingen sowie Rheinfelden und beschäftigt rund 1.400 Mitarbeiter. Diese arbeiteten zum großen Teil während des kom- pletten Shutdowns, das Unternehmen selbst war sys- temrelevant und erlebte in der zweiten sowie dritten Märzwoche Hamsterkäufe vor allem von Klopapier, aber auch von Konserven, Mehl, Zucker und Hefe. Darauf habe man sich zumindest etwas einstellen kön- nen, sagt Pabst. Die größte Herausforderung seien die ständig neuen Informationen gewesen, die man an die Beschäftigten weitergeben musste. „Die Mitarbeiter waren verängstigt, aber sie haben uns Vertrauen ge- schenkt und sind gekommen“, so Pabst. Ihnen gelte ein Riesenkompliment. Die meisten der Hieber-Märkte legten, so wie auch die der Mitbewerber, im ersten Halbjahr um etwa neun Prozent zu. Die Standorte di- rekt an der Grenze wie der in Grenzach verzeichneten hingegen ein Drittel weniger Kunden. Hier sei Kurzar- beit nötig gewesen, sagt Pabst. Herausfordernd sei gewesen, trotzdem die normalen Öffnungszeiten von 8 bis 20 Uhr abzudecken. Auch anderen Händlern fehlten und fehlen Kunden aus den Nachbarländern: Noch im Juli und August wa- ren die Umsätze mit Schweizern laut der Umfrage des Handelsverbands bei 34 Prozent der Einzelhändler im Südwesten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu- rückgegangen, bei weiteren 25 Prozent sogar deutlich. Von stark rückläufigen Umsätzen mit französischen Kunden in diesen Monaten berichteten knapp 20 Pro- zent, von einem Rückgang weitere knapp 30 Prozent. Utz Geiselhart, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, geht davon aus, dass die Einzelhändler in den Grenzregionen am stärksten von der Coronapandemie betroffen sein werden, die bis Mitte Juni ganz ohne die Kunden aus den Nachbarlän- dern auskommen mussten. „Eine erneute Grenzschlie- ßung wäre für unsere Region dramatisch“, sagt er. Wie ist die aktuelle Lage? Inzwischen habe man sich an die neue Normalität mit Masken und Sicherheitsdienst gewöhnt, berichtet Karsten Pabst. Probleme mit Mas- kenverweigerern gebe es nur vereinzelt. Die Kunden würden aber seltener und kürzer kommen. „Es fehlen die Emotionen“, sagt er, darunter würden die Cafés und Backwarengeschäfte leiden. Hans-Georg Meier berich- tet: „Uns fehlen die Events, um uns gegenüber dem On- linehandel abzugrenzen.“ Er befürchtet daher: „Es wird uns weiter extrem beuteln.“ Die Masken würden das Geschäft zusätzlich erschweren. „Mode ist ohne Mimik und mit Abstand ganz schwer zu verkaufen“, sagt Meier. Auch Carsten Heck betont: „Das Zwischenmenschliche ist in der Beratung schwer geworden, da wir die Mimik nicht sehen.“ Außerdem sei es für die Mitarbeiter sehr belastend, die ganze Zeit Maske tragen und dabei reden zu müssen. Die Händler hoffen daher, dass sogenannte Face Shields künftig erlaubt werden. Bei Krämer Einrich- tungen laufen die Geschäfte dennoch vergleichsweise gut: „Wir sind kurz davon, den Umsatz von 2019 wieder zu erreichen“, sagt Christoph Heck. Viele hätten in Mö- bel investiert, da sie nicht reisen konnten. Weitere Rückgänge erwartet Laut Umfrage des Handelsverbands Südbaden erwar- tet etwa die Hälfte der Einzelhändler für das zweite Halbjahr Umsatzrückgänge im Vergleich zum Vorjah- reszeitraum. Von einer Umsatzsteigerung gehen nur 22 Prozent aus. Für das gesamte Jahr rechnen gut die Hälf- te mit Umsätzen deutlich und etwa 18 Prozent leicht unter dem Vorjahr. Eine starke oder leichte Steigerung prognostizieren jeweils rund zehn Prozent. „Wenn die Erwartungen zutreffen, wird eine deutliche Bremsspur da sein“, sagt Philipp Frese. Rückläufig sind auch die Investitionspläne der Einzel- händler. Wer Geld in die Hand nimmt, für den steht meist Marketing an erster Stelle. Hans-Georg Meier hat bisher das Erwirtschaftete gleich wieder investiert – das ist nun anders: „Die aktive Innovationslust, die ich hatte, wird mit Sicherheit in den nächsten Jahren nicht stattfinden können“, sagt er. Carsten Heck be- tont, der Shutdown habe ihn darin bestätigt, „die Tu- gend zu wahren, konservativ zu wirtschaften“. Karsten Pabst gewinnt dem Lockdown auch Positives ab: „Wir sind unkomplizierter geworden“, betont er. Innerhalb von zwei Wochen sei ein Lieferservice auf die Beine gestellt worden. Das hätte sonst viel länger gedauert. Außerdem hätten die Mitarbeiter und damit die Berufe wie Metzger und Verkäufer eine hohe Wertschätzung erfahren. mae Philipp Frese Frese GmbH - Textiles Einrichten, Freiburg Hans-Georg Meier Meierfashion GmbH, Rheinhausen Christoph Heck Krämer Einrichtungen GmbH, Freiburg Karsten Pabst Hieber‘s Frische Center KG, Binzen DER HANDEL 2019 Die Wachstumsraten des Jahres 2019, die der Handelsverband wegen der Pandemie erst im September verkündete, lesen sich wie aus einer anderen Zeit. Es war das erste Jahr seit Länge- rem, in dem alle südbadischen Regionen im Vergleich zum Vorjahr beim Umsatz ordentlich zulegten: Freiburg, nach dem Ende der Großbau- stellen, um 2,1 Prozent, der Hochrhein um 2,2 Prozent, südlicher Oberrhein und Schwarzwald jeweils um 2,8 Prozent, der Bodensee um 2,9, die Ortenau um 3,6 und der mittlere Oberrhein um 3,9 Prozent. Die gesamte Region verbuchte ein Plus von 3 Prozent. mae Carsten Heck Krämer Einrichtungen GmbH, Freiburg

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5