Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Oktober'20 - Hochrhein-Bodensee

7 10 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten TITEL A nja Peck ist in einem Forst- haus aufgewachsen. Vater und Großvater waren Förster, für sie war deshalb völlig klar, dass sie das auch wird. Nach dem Forstwirtschafts- studium in Freiburg und der Promoti- on in Forstmeteorologie hat Peck im ganzen Land Stationen in Forstämtern und der -verwaltung bis ins Ministerium durchlaufen, ehe sie vor etwas mehr als einem Jahr die Leitung der Forst- direktion des Freiburger Regierungs- präsidiums übernahm, der einzigen in Baden-Württemberg. Seit der Forstre- form steht die Beratung der kommuna- len und privaten Waldbesitzer im Land im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit (siehe Kasten Seite 8). Das heißt im Moment vor allem: Krisenberatung. Die zwei tro- ckenen und heißen Sommer 2018 und 2019 haben dem Wald schon ordentlich zugesetzt. Es folgten ein milder Winter, das Orkantief Sabine im Februar 2020 sowie ein viel zu warmer und trockener Frühling. Umgestürzte und gestresste Bäume mag der Borkenkäfer besonders gern als Brutmaterial. Das Holz musste also rasch raus aus dem Wald. Doch die Coro- napandemie sorgte auch in den Sägewerken vorübergehend für Stillstand. Das hat die Lage zusätzlich verschärft. „Das Zusammenspiel Fichte Käfer gab es im- mer“, sagt Peck. Mehr beschäftige sie daher der Umfang, in dem auch andere Baumarten betroffen sind. „Das haben wir zum Beispiel von der Buche nicht gekannt.“ 43 Prozent der Bäume gelten laut dem jüngsten Wald- zustandsbericht als deutlich geschädigt. Um sie zu pflegen und die Flächen wiederzube- walden, hat das Land Ende vergangenen Jah- res einen Notfallplan, eine Art Soforthilfe in Höhe von rund 30 Millionen Euro gestartet. Parallel geht es darum, zukünftigen Wald an die aufgrund des Klimawandels erwarteten Veränderungen wie Trockenheit und Hitze anzupassen. Aber wie? „Man muss schauen, dass man Gegenwart und Zukunft bei der Bau- martenwahl berücksichtigt“, sagt Peck. Der Wald wächst langsam, das heißt, man arbeitet für die Zukunft, für die Enkel. Gleichzeitig gelte es flexibel zu bleiben: „Dass zum Beispiel Ei- chen oder andere wärmeliebende Baumarten der Oberrheinebene in 100 Jahren auf dem Feldberg wachsen könnten, heißt nicht, dass wir sie dort heute schon pflanzen können. Sie würden die dort noch herrschenden tiefen Temperaturen oder späte Frühjahrsfröste nicht überstehen“, erklärt die Forstwirtin. Die Arbeit in der Forstdirektion ist äußerst facettenreich, Peck hat mit sehr vielen Forst- besitzern zu tun. Auf der großen, bun- ten Karte an ihrer Bürowand zeigt sie, warum das so ist. Jeder gelbe Fleck markiert einen Kommunalwald – das sind rund 40 Prozent der gesamten Waldfläche im Land. Die blauen Flecken stehen für die 36 Prozent privaten Wäl- der, hellblau für große, dunkelblau für kleine. Nur knapp ein Viertel des Wal- des ist grün, das ist der staatliche Teil. Im Südwesten Baden-Württembergs überwiegen die dunkelblauen Anteile – „kleine bis mittelgroße Privatwälder sind typisch für den Schwarzwald“, sagt Peck. Viele besitzen kaum zu be- wirtschaftende Kleinstflächen. Durch- schnittlich 2,4 Hektar gehören jedem privaten Waldbesitzer im Land, das entspricht zweieinhalb Fußballfeldern. 260.000 private Waldbesitzer gibt es in Baden-Württemberg, über 90 Pro- zent davon sind solche Kleinstbesitzer mit weniger als fünf Hektar. „Das hat historische Gründe“, erklärt Peck. Im sogenannten Realteilungsgebiet ha- ben immer alle Kinder geerbt, damit haben sich die Flächen zum Beispiel im Südschwarzwald über die Generationen stetig verkleinert. Etwa ein Drittel der baden- württembergischen Privatwaldfläche gehört den Klein- und Kleinstbesitzern, ein weiteres Drittel typischen Höfen mit 5 bis 200 Hektar. Das restliche Drittel ist Großwaldbesitz mit mehr als 200 Hektar. Mit rund 18.000 Hektar ist das Fürstenhaus Fürstenberg der größte private Waldbesitzer im Land (darüber mehr ab Seite 8). Die Forstdirektion macht die Forsteinrichtun- gen für die Kommunalwälder im Land. Das sind Zehn-Jahres-Pläne auf Basis der vom jeweiligen Eigentümer gewünschten Zielset- zung. Diese kann sehr unterschiedlich sein. In manch einer Kommune finanziert der Wald als Haupteinnahmequelle Kindergarten und Schulbus, während andere unabhängiger von den Einnahmen sind und den Freizeitwert höher gewichten können. Für alle gesetzlich festgeschrieben ist indes das Ziel der Nach- haltigkeit, dass also langfristig nicht mehr Holz eingeschlagen wird als nachwächst und auch die sozialen und ökologischen Funktio- nen des Waldes erhalten bleiben. Mit seiner Waldstrategie 2050 will das Land die unter- schiedlichen Wünsche zusammenbringen und eine langfristige Perspektive entwickeln. M ühlenbach liegt zwischen den Hän- gen des mittleren Schwarzwalds kurz vor Haslach an der B294. Die Gemeinde zählt nur 1.700 Einwohner, aber »Dass Eichen in 100 Jahren auf dem Feld- berg wachsen, heißt nicht, dass wir sie dort heute schon pflanzen können« Anja Peck , Forstdirektorin, Regierungspräsidium Freiburg Anja Peck, Leiterin der Forstdirektion, in ihrem Büro vor einer Karte, die die Besitzverhältnisse des Walds zeigt. Bilder: Floriian Forsbach

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