Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Mai/Juni'20 -Südlicher Oberrhein

52 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 5+6 | 2020 PRAXISWISSEN RECHT Rechtliche Änderungen für Unternehmen Das Pandemie-Gesetz A n sich kann eine fällige Leistung auch im Fall einer Pandemie nur bei einer entspre- chenden Vertragsregelung (höhere Gewalt) oder wegen Unmöglichkeit (beispielsweise behörd- liche Betriebsschließung) verweigert werden. Zum Schutz von kleinen Unternehmen hat der Gesetzge- ber diese Grundsätze um ein Leistungsverweige- rungsrecht , ein sogenanntes Moratorium, ergänzt. Voraussetzung hierfür ist, dass 1. der Schuldner ein Kleinstunternehmen ist (bis zu neun Beschäftigte sowie Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro), 2. es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das vor dem 8. März 2020 eingegangen wurde, 3. die betreffenden Leistungen zur angemesse- nen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforder- lich sind (etwa Pflichtversicherungen, Strom, Gas, Telekommunikationsdienste, Wasserver- und -entsorgung) und 4. die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage nicht möglich wäre. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, kann das Un- ternehmen Zahlungen bis – Stand 8. Mai – zum 30. Juni 2020 verweigern, ohne nachteilige Konsequenzen wie Schadensersatzansprüche wegen Verzögerung der Leistung oder Vollstreckungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Schuldner ausdrücklich auf das Leistungsverweige- rungsrecht berufen und gegebenenfalls auch belegen muss, dass er gerade wegen der Covid-19-Pandemie nicht leisten kann. Zudem steht das Leistungsverwei- gerungsrecht dem Schuldner nur solange zu, wie er wegen der Pandemie an seiner Leistungserbringung gehindert ist. Die Leistungspflicht bleibt also grund- sätzlich bestehen und ist spätestens nach Ablauf des Moratoriums auch zu erfüllen. U m zu verhindern, dass durch die aktuellen Einschränkungen des Wirtschafts- und So- ziallebens eine riesige Insolvenzwelle aus- gelöst wird, setzt das Covid-19-Pandemie-Gesetz bis 30. September 2020 die Insolvenzantragspflicht aus. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung) auf den Folgen der Pandemie beruht und Aussichten darauf be- stehen, dass eine Zahlungsunfähigkeit künftig beseitigt werden kann. Sind diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben, ist weiterhin rechtzeitig Insolvenz- antrag zu stellen. Darüber hinaus begrenzt das neue Gesetz auch die Haftung der Geschäftsleitung betrof- fener Unternehmen. Denn eine nicht rechtzeitige Insol- venzantragsstellung führt in der Regel zu einer weitrei- chenden persönlichen Haftung. Diese trifft insbesondere Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG und Vorstände einer Aktiengesellschaft, die normalerweise für sämtliche Zahlungen haften, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt werden. Daher regelt das neue Gesetz, dass Geschäftsleiter für solche Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb getätigt werden, insbesondere der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnah- me des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sa- nierungskonzepts dienen, nicht persönlich haften. Aber auch hier gilt, dass die Voraussetzungen für die Aus- setzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen müssen. Das am 27. März verabschiedete Covid-19-Pandemie-Gesetz sieht zur Abmilderung der Folgen des Coronavirus Änderungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrens- recht vor sowie ein vorübergehen- des Leistungsverweigerungsrecht speziell für Kleinstunternehmen, ein sogenanntes Moratorium. Bild: Nuthawut Somsuk - iStock

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5